Der Große Panda und die Politik:Die Panda-Propaganda

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Menschenrechtsverletzungen und Todesstrafe ruinieren den Ruf. Deshalb poliert China sein Image mit Bildern von Panda-Babys auf, dem Inbegriff von Unschuld und Friedfertigkeit.

Christian Kortmann

Früher waren Pandabären ganz weiß: In einer chinesischen Legende rettet ein Hirtenmädchen ein Panda-Baby vor einem Leoparden. Sie kommt dabei zu Tode, und die trauernden Großen Pandas werfen sich Asche über ihre strahlend weißen Arme und Schultern. Als sie ihre Tränen wegwischen und sich ob ihres Klagegesangs die Ohren zuhalten, bleiben schwarze Flecken an Augen und Ohren zurück. Als sie sich umarmen, stempeln ihre Tatzen die Vorder- und Hinterbeine. Seitdem tragen die Bären ihre schwarze Zeichnung aus Respekt vor dem Hirtenmädchen. Wir glauben diese Legende gerne, verkörpern Pandas doch das Ideal von Friedfertig- und Gewaltlosigkeit: Statt sich zu rächen, fügen sie sich in ein Ritual des Trauerns.

Nur noch 1600 Große Pandas leben in freier Wildbahn, alle in den Bambuswäldern Chinas. Damit besitzt die chinesische Regierung die Hoheit über ein rares Gut und instrumentalisiert es seit Jahrhunderten für politische Zwecke: Mit dem Begriff Panda-Diplomatie bezeichnet man die Praxis, sich andere Staaten durch die Gabe von Großen Pandas gewogen zu machen. So schenkte 1972 Mao dem amerikanischen Präsidenten Richard Nixon zwei Bären nach dessen Besuch im bis dahin isolierten kommunistischen Staat. In jüngster Zeit führte die Panda-Diplomatie zu Verstimmungen mit Taiwan, das zwei Tiergeschenke ablehnte, weil es die politische Bedeutung der Geste fürchtete. Tuan Tuan hieß der eine Bär, Yuan Yuan der andere, und "tuan yuan" heißt "Wiedervereinigung", das, was China für unabdingbar hält und Taiwan auf keinen Fall will.

Artenschutz als Deckmantel

Doch die gesamte Weltöffentlichkeit wird von der Panda-Propaganda manipuliert. Denn wesentlich effizienter als die weltweite Bärenverschickung ist es, Fotos und Videos von Pandas medial zu verbreiten, wie das von Robert Zoellick, dem damaligen stellvertretenden amerikanischen Außenminister, der im Januar 2006 ein Panda-Junges im Arm hielt. In chinesischen Medien galt dies als Zeichen dafür, dass die USA eine weitere Annäherung an China anstrebten.

In diesen Tagen machen wieder einmal Fotos von Panda-Babys aus der Zuchtstation Wolong Giant Panda Research Center die Runde. 18 schwarzweiße Knuddelbärchen, die auf Schaukeln spielen und beidhändig Milch aus Flaschen trinken. China hat ehrgeizige Zuchtziele und vermeldet die Ergebnisse stolz: 217 Pandas kamen im Jahr 2006 zur Welt, meist durch künstliche Befruchtung. Noch funktioniert das Auswildern der Tiere aus den Panda-Fabriken nicht. Die Hauptaufgabe auch dieser neuen Generation wird also darin bestehen, Zoobesucher zu erfreuen und als virtuelle Emissäre des friedlichen Images der putzigen Panda-Volksrepublik um die Welt zu reisen.

Panda-Bilder sind absolut entwaffnend: Im Netz gibt es einen Clip, der ein niesendes Panda-Junges zeigt, das seine Mutter erschreckt. "100 bucks if you don't smile" lautet der Titel, und tatsächlich muss jeder unweigerlich lächeln, der diese Bilder sieht. Da rückt auch der kritische Mediennutzer den Widerspruch zwischen dem drakonischen chinesischen Regime und seinem friedliebenden Wappentier gerne in den Hintergrund.

Bleib ernst, wenn du kannst: Das süßeste Panda-Video der Welt

Doch vom ostentativ betriebenen Artenschutz sollte man sich nicht über die menschlichen Härten hinweg täuschen lassen. "Wir schätzen die Lage der Menschenrechte in China als extrem schlecht ein", sagt Verena Harpe, Asien-Referentin bei Amnesty International (AI) Deutschland. Laut AI kamen im Jahr 2005 in China mindestens 1770 Menschen (als Dunkelziffer werden 10000 befürchtet) durch die Todesstrafe ums Leben. Verena Harpe vermisst hier ein ähnliches Engagement wie bei der wirtschaftlichen Öffnung: "China muss sich den Vorwurf gefallen lassen, dass es nicht alles zur Verbesserung der Menschenrechtssituation unternimmt."

Wird uns der Propagandabär retten?

Es handelt sich um eine bizarre artenübergreifende Eugenik, die in China praktiziert wird: Einerseits sterben mehr Menschen durch die Todesstrafe als im Rest der Welt zusammen, Steuerhinterzieher oder Dissidenten werden hingerichtet und ihre Organe verkauft; andererseits wird mit großem Aufwand eines der plakativ-harmlosesten Wesen der Welt reproduziert, um seine Abbilder und Vertreter um den Globus zu schicken. Die Frage ist, ob man sich in diese Naivität beim Umgang mit Bildern fügen mag, oder ob der apolitische Große Panda in seiner ablenkenden Unterhaltungs- und Alibifunktion nicht zum Politikum wird.

Pandas sind nicht die einzigen Tiere, die Menschen zu affektiver Ablehnung oder Zustimmung bewegen sollen. Als man die Bevölkerung der USA im Rahmen der Glasnost-Ära darauf vorbereitete, den ehemaligen russischen Erzfeind als potentiellen Handelspartner und politischen Freund zu akzeptieren, liefen auf CNN auffällig viele Berichte über rührende Braunbärenpfleger in russischen Naturschutzgebieten. 2002 zeigte der amerikanische Nachrichtensender ein Video, auf dem angeblich ein irakischer Giftgastest an einem Hund zu sehen war. Vergangenes Jahr berichtete derselbe Sender über die "puppy pipeline", einen Schmugglerring, der Chihuahua-Welpen aus Tijuana nach Kalifornien einschleuste, welche die Reise oft nicht überlebten, und illustrierte so die Verwerflichkeit illegaler Einwanderung. Und momentan werden die Gefahren des Klimawandels gerne am vom Schwinden des Packeises bedrohten Eisbären verdeutlicht.

"Der Große Panda ist den Chinesen viel wert", sagt Susanne Honnef, Artenschutz-Expertin beim World Wildlife Fund (WWF), der den Panda im Logo trägt. Honnef koordiniert das Panda-Schutzprogramm des WWF in China und ist mit der Zusammenarbeit mit der chinesischen Regierung "zufrieden, da sie sich politisch unkompliziert gestaltet". Der Große Panda liege allen am Herzen. Er könnte sich also vom Propagandabären zum kleinsten gemeinsamen Nenner entwickeln, der den Weg ebnet für Verhandlungen über Themen wie Energiepolitik und Menschenrechte. Wie in seinem Ursprungsmythos könnte der friedliebende Bär also wieder mal Menschenleben retten.

© SZ v. 16.3.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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