Debüt-Film:"Full Metal Village":Der Himmel über den Kühen

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"From Dusk till Dawn" war das Vorbild der Koreanerin Sung Hyung Cho und beschreiben wollte sie ihren persönlichen Culture Clash in Deutschland. Was sie zeigt, ist ein amüsantes Sommermärchen.

Martina Knoben

Der holsteinische Himmel hat ihr gefallen, die Nähe zum Meer und das "kollektive Zusammenleben" - das sei wie bei ihr zu Hause in Pusan gewesen, sagt Sung Hyung Cho. Einen "Heimatfilm" hat die Koreanerin, die seit 17 Jahren in Deutschland lebt, ihr Porträt des holsteinischen Dorfes Wacken genannt. Weil es ihr dort so gut gefallen hat, weil die Deutschen selbst solche Probleme mit dem Wort Heimathaben ... Kurios wirkt dieses Label und gibt eine gute Werbung ab für einen an kuriosen Beobachtungen reichen Film.

Einen schönen Ton hat die Regisseurin dafür gefunden: leicht und unbeschwert , nicht nur durch die ironisierende Musik, die "wie Katzenschritte" daherkommt - so hatte es Sung Hyung Cho ihrem Komponisten Peyman Yazdanian aufgetragen. Auch die Bilder sind wohlkomponiert; immer wieder etwa scheinen Kühe das Geschehen zu kommentieren. Dafür gab es unter anderem den diesjährigen Max-Ophüls-Preis, "Full Metal Village" war der erste Dokumentarfilm überhaupt, der diese Auszeichnung bekommen hat.

Clash der Kulturen und amüsantes Sommermärchen

Dass nun fast schon ein Hype um diesen Film entstanden ist, liegt allerdings nicht nur daran, dass er so unterhaltsam und intelligent gemacht ist. Es hat wohl auch damit zu tun, dass von Deutschland erzählt wird und von einem Clash der Kulturen - und ein amüsantes Sommermärchen dabei herauskam. Von einer Ausländerin lässt man sich natürlich gern bestätigen, dass die deutsche Provinz gar nicht so verkrampft und abweisend ist, wie oft angenommen.

Die Begegnung sehr unterschiedlicher Kulturen findet in Sung Hyung Chos Debüt gleich auf mehreren Ebenen statt. Nicht nur, dass sich eine Asiatin das holsteinische Landleben erklären lässt, das Fremde ist längst in Wacken angekommen, ist gar nicht mehr wegzudenken aus dem 1800-Einwohner-Ort. Seit 17 Jahren findet dort das Wacken Open Air Festival statt, zu dem mittlerweile rund 40000 Heavy-Metal-Fans aus aller Welt strömen.

Da bilden sich dann schwarze Schlangen vor dem Supermarkt und werden Wackener Landwirte, die als Ordner etwas dazu verdienen, fröhlich mit dem Satanszeichen begrüßt. Lustig ist das - Robert Rodriguez' Film "From Dusk till Dawn" sei ihr Vorbild gewesen, der Moment, erzählt Sung Hyung Cho, wenn aus dem Gangster-Road-Movie ein Vampir-Film wird. Wobei die Schwarzgestalten nicht nur Geld ins Dorf bringen, sondern auch ganz manierliche Leute zu sein scheinen. Nur Oma Irma sieht in dem Festival noch eine Schwarze Messe.

Die Regisseurin hat sich allerdings wenig für die Metal-Fans interessiert; das Festival gibt vor allem den Rahmen ab für ein Ortsporträt. Mit amüsiertem Staunen und respektvoller Aufmerksamkeit notiert die Filmemacherin einige der Regeln, nach denen die dörfliche Gemeinschaft funktioniert, und weiß ihr fremdländisches mädchenhaftes Äußeres geschickt zu nutzen, wenn sie mit gespielter Naivität danach fragt. Währenddessen läuft am Ortsrand schon die High-Tech-Maschine des Festivals an, werden Toilettenzeilen und eine riesige Bühne installiert und die Wackener Ortsschilder vorsichtshalber abmontiert.

Die Aussicht aufs Riesenspektakel - ein Hexensabbat vielleicht - lässt die Aufzählung Wackener Eigenheiten und Abgründe weniger beliebig erscheinen; außerdem bildet das Nebeneinander von scheinbar zeitloser dörflicher Idylle und hochkommerziellem Festivalzirkus das moderne Landleben durchaus realistisch ab. Und auch die Wackener selbst verblüffen mit unerwarteten Facetten, wenn etwa der Rinderzüchter eine anrührende Liebe zu seiner Frau offenbart, Bauer Trede der Regisseurin rät, nicht dem Geld hinterher zu laufen, sondern ihm entgegen - er selbst habe gerade eine Biogasanlage gebaut -, oder der nette Familienvater seine Fremdenfeindlichkeit formuliert. Auch von der 16-jährigen Katrin hätte man gern mehr erfahren, die mit ihrer Cousine Kalorientabellen studiert und Sit-ups stemmt für eine Modelkarriere, andererseits fasziniert ist vom Zweiten Weltkrieg , weil Oma Irma ihr so viel erzählt hat von ihrer Flucht aus Ostpreußen.

Wie das alles zusammengeht? Das will "Full Metal Village" glücklicherweise gar nicht erklären. Manches mischt sich einfach nicht - vielleicht bleibt deshalb den Wackenern der Knall beim Clash der Kulturen erspart.

FULL METAL VILLAGE, D 2006 - Regie, Buch, Schnitt: Sung Hyung Cho. Kamera: Marcus Winterbauer. Musik: Peyman Yazdanian. Zorro, 90 Minuten.

© SZ vom 18.4.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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