David Carradine:Der weise Schurke

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Bergman, Scorsese und Tarantino drehten mit ihm, doch zur Legende wurde er als Kung Fu kämpfender Shaolin-Mönch: Zum Tod des Schauspielers David Carradine.

Tobias Kniebe

Den großen letzten Auftritt, der nun sein Vermächtnis sein wird, hat ihm Quentin Tarantino geschenkt, der leidenschaftliche Wiedererwecker fast vergessener Legenden. Da durfte er der sagenhafte Bill sein, die Titelfigur, die in "Kill Bill" getötet werden musste, von der rachsüchtigen "Braut" alias Uma Thurman.

Ein formidabler Gegner, ein weiser Kämpfer: David Carradine. (Foto: Foto: AP)

Zwei ganze Filme lang dauerte dieser Vorgang, etliche Schergen mussten zuvor aus dem Weg geräumt werden - aber als David Carradine dann endlich zum finalen Duell antrat, hielt er alles ein, was der Regisseur sich von ihm versprochen hatte: Ein tolles Gesicht, verwittert in vielen Jahren harter Fernseh- und Straight-to-Video-Kärrnerarbeit, dazu aber ein Körper, dem das jahrzehntelange Training in asiatischen Kampfsportarten nicht nur vollendete Selbstbeherrschung, sondern offenbar auch Ruhe und Weisheit geschenkt hatte. Wahrhaft ein formidabler Gegner also, dessen Bezwingung durch die Heldin des Films als ultimativer Sieg gefeiert werden konnte.

Am 8. Dezember 1936 wurde Carradine, da noch mit dem Vornamen John Arthur, in Hollywood geboren. Er war der älteste Sohn des bekannten Charakterdarstellers John Carradine, und als er selbst mit der Schauspielerei begann, nahm er den Namen David an, um sich von seinem Vater zu unterscheiden. Unterscheidung tat dann auch Not im weitverzweigten Mimen-Clan der Carradines, dem unter anderen auch sein Bruder Bruce und seine Halbbrüder Keith und Robert Carradine angehören.

Davids Karriere ließ sich gleich vielversprechend an, als kein Geringerer als Martin Scorsese ihn für sein billig produziertes Eisenbahnräuber-Frühwerk "Boxcar Bertha/Die Faust der Rebellen" engagierte. Auch da spielte er, als "Big" Bill Shelley, schon einen großen Gangster namens Bill. Den Ausgestoßenen des amerikanischen Traums blieb er treu in "Bound for Glory", Mitte der siebziger Jahre, in dem er den berühmten Folksänger Woody Guthrie verkörpert - und den Verlierern der Großen Depression überzeugend eine Stimme gibt.

Dies wiederum muss Ingmar Bergman dazu bewogen haben, ihn anschließend gleich in eine andere Depressionszeit zu versetzen, ins Berlin der rasenden Inflation des Jahres 1923: In "Das Schlangen-ei" spielt er den arbeitslosen jüdisch-amerikanischen Trapezartisten Abel Rosenberg, den auch wieder sehr harte Zeiten erwarten. Die Rolle, die David Carradines Image in diesen Jahren und bis heute prägen sollte, war dann aber natürlich doch eine ganz andere: Als Kwai Chang Caine in der Fernsehserie "Kung Fu" traf er genau jenen Nerv der populären Imagination, der unvergessliche Rollen schafft, einen Schauspieler aber auch für ein Leben lang festlegen kann.

Keine Kung-Fu-Kenntnisse

Obwohl er vor diesem Engagement als Shaolin-Mönch, der den alten amerikanischen Westen auf der Suche nach seinem Bruder durchmisst, keinerlei Kenntnisse in Kung Fu hatte, sah er den Erfolg gleichwohl als eine Art Verpflichtung an und betrieb Kampfsport fortan für den Rest seines Lebens.

Die Umstände seines Todes, die nun bekannt wurden, muten selbst fast schon wieder wie der Plot eines Carradine-Thrillers an: Ein Sprecher der US-Botschaft in Bangkok teilte mit, Carradine sei am Mittwochabend oder am Donnerstagmorgen in einem Hotelzimmer in der thailändischen Hauptstadt gestorben, wo er gerade für den Film "Stretch" des französischen Regisseurs Charles de Meaux vor der Kamera stand.

Offiziell wurden keine weiteren Details bekanntgegeben, aber US-Zeitungen melden unter Berufung auf Polizeiquellen bereits, er sei mit einer Schlinge um den Hals aufgefunden worden, was einen Selbstmord durch Erhängen vermuten lasse. So souverän, wie wir Carradine zuletzt erlebt haben, scheint das praktisch ausgeschlossen, wir vermuten eher noch finsterere Machenschaften - aber vielleicht war seine Kunst so groß, dass er seinen wahren Zustand in der Öffentlichkeit perfekt verschleiern konnte. David Carradine wurde 72 Jahre alt.

© SZ vom 05.06.2009/woja - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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