Das Nachleben:Im Schatten des Meisters

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In Amsterdam gründete Wolfgang Frommel das "Castrum Peregrini" und inszenierte sich als Erben Stefan Georges. Jetzt untersuchen Historiker die sexuellen Übergriffe, die ihm zur Last gelegt werden.

Von Volker Breidecker

Deutschland sei voll von "geistigen Landsmannschaften", die sich um einen "großen Soundso" in ihrer Mitte versammeln, einen "Mann, dessen Namen Uneingeweihte noch nie gehört haben, der aber in seinem Kreis die Verehrung eines Welterlösers genießt", schrieb Robert Musil in einem Feuilleton von 1926. Nüchtern registrierte er den Zerfall der Öffentlichkeit der Weimarer Republik in zahllose "Kreise", die "hermetisch gegeneinander abgedichtet" sind. Nüchternheit wäre auch geboten, wo es nun in der öffentlichen Debatte um unbewiesene sexuelle Handlungen im Kreis um Stefan George und tatsächliche Übergriffe in einem späteren Ableger, dem Amsterdamer Kreis um Wolfgang Frommel, geht. Denn mit dem, was an Kindheitserfahrungen von sexueller Gewalt in deutschen Familien unter den Tisch gefegt wird, solange es nicht die Ermittlungsbehörden und Gerichte beschäftigt, könnten es die freiwillig um die Altäre ihrer Meister versammelten Anhänger Georges und Frommels kaum aufnehmen.

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