Das ist schön:Sommerlochkost

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Meerschwein und andere Delikatessen

Von Karl Forster

Dass Essen und Trinken Leib und Seele zusammenhalten, ist erstens eine Binsenweisheit und zweitens wahr. Zumindest dann, wenn sowohl Speis als auch Trank eine gewisse Qualität aufweisen. Und weil das Zusammenhalten von Leib und Seele ein sehr wichtiger Aspekt des Lebens ist, hat auch die Kultur sich diesen beiden Phänomenen in diversen Ausprägungen gewidmet. Man denke nur an den nicht in allen Szenen geschmackvollen, aber nichtsdestotrotz faszinierenden Film "Das große Fressen" von Marco Ferreri oder an die wunderbare Inszenierung des "Don Giovanni" von Peter Sellars, in welcher das große letzte Abendmahl des Bösewichts aus Cola und Burger bestand, weil es schließlich in der Bronx stattfand, damals in den Achtzigerjahren.

Hätte Sellars seinen "Don Giovanni" statt in der Bronx in der peruanischen Hauptstadt Lima spielen lassen, die ja auch nicht arm ist an Problemvierteln (was, nur nebenbei, heute für weite Teile der Bronx nicht mehr zutrifft), dann hätte es statt Burger wahrscheinlich Meerschweinchen gegeben zum Dinner mit Komtur, dem steinernen Gast. Und wer weiß, vielleicht hätte dieser dann, statt den geilen Don zum Teufel zu schicken, sich besänftigen lassen, weil Meerschweinchen in Lima und Umgebung als Delikatesse gelten. Die Musikgeschichte hätte in weiten Teilen neu geschrieben werden müssen. Nun kam in dieser Woche dank eines Heftes namens Messe München Magazin ein Doppelinterview unters Volk, in dem zwei sehr unterschiedliche Gestalten des Münchner Kultur(?)lebens sich unter anderem zum Thema Meerschweinchenverzehr äußern. Da ist zum einen der Abt von Sankt Bonifaz und der Filiale Kloster Andechs, Johannes Eckert, der Verwandte hat in Peru und deswegen Meerschweinchenbraten liebt. Auf der anderen Seite antwortete der Gastronom Michael Käfer auf die weiterführende Frage, ob er denn Meerschweinchen auch schlachten könne, eindeutig "ganz klar Nein". Wobei ihm auch der Hochwürdige Abt zustimmte. Essen ja, umbringen nein. Weiters einig war man sich in Sachen Lieblingsspeise: Spätzle. Da kann man nicht viel falsch machen, außer man nimmt zuviel Wasser zu Mehl und Ei.

Was sagt uns dies alles? Zum einen, dass bald das Sommerloch kommt und vielen Medien kein Thema mehr zu blöd ist. Zum anderen aber, dass der Zusammenhalt von Leib und Seele sehr regionale Ausprägungen kennt und wir, lebend im Lande des Schweinsbratens und der Weißwurst, uns nicht erheben sollen über Meerschweinliebhaber und ähnlich für uns Exotisches, die angesichts des Bratens schwärmen: "Está bueno". Und wenn's schmeckt, ist das doch schön.

© SZ vom 08.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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