Das ist schön:So machen's doch alle

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Hat die "Nein ist Nein"-Debatte Auswirkungen auf die Oper?

Von Karl Forster

"Nein ist Nein" heißt es im Gesetz. Und das ist gut so, was auch ein Blick in den Kanon der Musikgeschichte zeigt. Die Oper, Hort der großen Emotionen, ist ein guter Beweis, das zeigt ein Blick auf den Spielplan von Salzburg und München. Zum Beispiel Verdis "Troubadour". "Nein ist Nein", sagt Eleonora zum Grafen Luna und schluckt das Gift. Oder der "Don Giovanni": Zerlina ist dem Ja zwar sehr nahe, sagt dann aber doch deutlich Nein, was den Herrn Giovanni sehr erregt. Anders, und deshalb diskussionswürdig, ist die Lage bei Mozarts "Così fan tutte". Die sollte womöglich in weiten Teilen neu geschrieben werden, weil Lorenzo da Pontes Libretto nicht mehr politisch korrekt ist. Ob sich das beispielsweise auf die gute, schöne, wenn auch etwas angegraute Inszenierung von Dieter Dorns "Così" auswirkt, die 2017 in München wieder aufgenommen wird, ist noch ungeklärt.

Die Geschichte kurz für diejenigen, die hinter dem Namen "Così" nur ein Altschwabinger Szenelokal vermuten. Zwei Schwestern sind schwer verliebt in zwei Offiziere und umgekehrt. Ein zum Zynismus neigender Freund der Herren bietet denen eine Wette an: Hundert Zechinen, wenn beide - irgendwie verkleidet - die Liebste des anderen NICHT herumkriegen. Die beiden ziehen in einen angeblichen Krieg, tauchen dann mit Riesenbärten wieder auf und fangen heftigst an zu flirten. Darauf die Schwestern: "Wir sind Verlobte, und wir wahren die Treue fest bis zum Tode." Ist gleich: nein. Ein paar himmlisch schöne Takte Musik später aber gewinnt der Zyniker seine Wette dank der Tatsache, dass hier aus "Nein ist Nein" ein "Nein ist ein Vielleicht" und dann ein "Nein ist Ja" wurde. Dass dabei Stalking-verdächtige Aktionen passieren ("Ich bring mich um, wenn du mich nicht liebst"), macht die Sache nicht besser. Die weitere Auflösung ist dann ein bisschen arg konstruiert, letztlich aber geht die ganze Oper gut aus.

Wie aber geht man mit einem Kulturgut um, dessen Grundaussage lautet: Ein bisschen Druck kann nicht schaden auf dem Weg zur Meinungsänderung? Die Strafrechtlerin Elisa Hoven prophezeit in einem Interview mit der Zeit, künftig werde die Frage vor Gericht lauten: Ist der entgegenstehende Wille für den anderen erkennbar, wenn das Opfer nein sagt, aber trotzdem mitmacht? Bei Mozart war diese knifflige Frage Anlass für wunderbarste Musik. Bleibt als Erkenntnis, dass gar nichts umgeschrieben werden muss, auch wenn "Così fan tutte" "So machen's alle (Frauen)" bedeutet. Oper und vieles, was Kultur uns heute bietet, taugt nicht als Vorbild für die Gegenwart, sondern dient nur dem Genuss. Und das ist doch auch recht schön.

© SZ vom 30.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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