Das ist schön:Fliegt, Gedanken!

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Eine Hymne auf die kreativen Spinner dieser Stadt

Von Karl Forster

"Die Gedanken sind frei" - wer hat nicht alles dieses Liedchen schon gesungen; von Pete Seeger, dem Friedensbewegten, bis Nena, dem deutschen Pop-Luftballon. "Mein Wunsch und Begehren kann niemand verwehren", heißt es da zum Beispiel, oder "... meine Gedanken zerreißen die Schranken und Mauern entzwei." Es scheint, als habe man das Lied nicht um 1820 geschrieben, sondern heute, im Schatten des Schornsteins an der Schäftlarnstraße. Drehen sich doch die Wünsche und Träume manch kühner Münchner Kultur- und sonst was Schaffender um dieses Bauwerk, respektive um dessen Kamin, der da 176 Meter in die Höhe ragt. Auf die Idee, dort oben ein Café einzurichten, wie es dem Utting-Abenteurer Daniel Hahn vorschwebt, muss man erst mal kommen. Und als jetzt auch noch ein Apnoetaucher den Kamin mit Wasser füllen wollte, um mit seinesgleichen die Lungenflügel zu trainieren, dachte mancher: "Die spinnen, die Münchner!"

Ja und? Sind es nicht die Spinner und Fantasten, die die Welt spannend machen, die aus dem täglichen Einerlei ausbrechen und - die Gedanken sind frei - leise und weniger leise vor sich hin träumen? Den Eiffelturm wollten die Pariser anfangs auch nicht haben. Und heute strahlen sie ihn blau-weiß-rot an, wenn es was zu feiern gibt. Oder der High-Line-Park von Manhattan. Eigentlich wollten Unternehmer die stillgelegte Eisenbahntrasse abreißen, um dort teure Wohnungen zu bauen (und wenn man in New York von teuren Wohnungen spricht, schluckt sogar der Münchner). Doch statt dessen setzten sich die Kreativen der Stadt durch. Heute wandelt man über gut zwei Kilometer hier durchs Grün.

Darum: Träumt weiter und macht Träume wahr. Wenn etwa die Stadt zu doof ist, die Renovierung des Gasteigs schon rein bürokratisch in den Griff zu bekommen, aber das Areal fürs Ausweichquartier prophylaktisch schon geräumt hat, was jetzt vielleicht gar nicht mehr nötig ist, könnte man hier Platz schaffen für alle jene, die im sogenannten Kreativquartier an der Dachauer Straße keinen Platz finden. Und das wären garantiert nicht die am wenigsten Kreativen! Die könnten in den Denkpausen rüber ins Kamincafé und dann noch ein bisschen im Tauchbecken planschen. Der Tunnel unterm Mittleren Ring ist ja schon da. Und dann träumten sie, mit Blick in die Ferne, von einer grünen Stadt ohne Autos, mit klarer Luft und vielen Menschen, die sich wieder wohlfühlen in diesem München. Ja, die Gedanken sind frei. Wäre Mut vorhanden und würden sie Wirklichkeit, was wäre das schön.

© SZ vom 16.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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