Das ist nicht schön:Wo sind die Frauen?

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Aktivistinnen kritisieren Tollwood - ohne selbst Gesicht zu zeigen

Von Christiane Lutz

Tollwood nimmt in Anspruch, für Toleranz und Offenheit zu stehen. Dieser Anspruch ist es unter anderem, der eine Gruppe Aktivistinnen gerade sehr sauer macht. Sie nennen sich "De G'fotzerten", wollen anonym bleiben und haben einen offenen Brief verschickt. Darin beklagen sie, dass in der Musik-Arena auf Tollwood zum Großteil männliche Künstler auftreten. "Wo sind die Frauen?", fragen sie. "Ausgebucht? Kinderpause?" Wer nachzählt, sieht: Sie haben recht. Keiner der Haupt-Acts besteht aus ausschließlich weiblichen Künstlern. Lediglich Silbermond definiert sich über die Frontfrau Stefanie Kloß, Joy Denalane ist lediglich "special guest" bei Freundeskreis. Für die Aktivistinnen ist das Sexismus. Ihrem Brief haben sie eine Liste mit Vorschlägen für weibliche Musikerinnen beigelegt. Sie fordern: Tollwood soll seiner Verantwortung als nachhaltiges Festival nachkommen und ein ausgeglicheneres Musik-Programm anbieten.

Natürlich schaut Tollwood, mit welchen Bands sich die 5000 Plätze in der Arena füllen lassen. Ein Max Giesinger ist derzeit eben kommerziell erfolgreicher als die als Alternative aufgeführte Yvonne Catterfeld. In einem Antwortschreiben von Tollwood heißt es außerdem, dass das Booking auch davon abhänge, "wer wann auf Tour geht, welche Musikstile zusammen passen". Man verweist darauf, dass auf Tollwood in den vergangen Jahren sehr viele namhafte Künstlerinnen (Joan Baez, Jennifer Rostock, Zaz) auftraten.

Der Anspruch der Aktivistinnen, die Gesellschaft gegen Geschlechterdiskriminierung sensibilisieren zu wollen, ist legitim. Die "G'fotzerten" kämpfen in der ganzen Stadt gegen sexistische Werbung und Homophobie. Nur wer immer wieder auf vermeintlich unwichtige Fälle von Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern zeigt, wird langfristig etwas verändern können. Ein renommiertes Festival wie Tollwood könnte mehr Mut beweisen und auch mal kommerziell weniger erfolgreichen, spannenden Künstlerinnen eine Plattform geben. Die Aktivistinnen tun sich aber keinen Gefallen damit, anonym bleiben zu wollen. Wer in einen konstruktiven Dialog treten will, muss Gesicht zeigen. Sonst kann man nicht erwarten, ernst genommen zu werden. Einfach aus dem Versteck im Gebüsch zu feuern, ist nicht schön.

© SZ vom 24.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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