Country:Gewehre, Gott und Rosen

Lesezeit: 4 min

Hank Williams Jr. bei den Republikanern in Philadelphia im Jahr 2000. (Foto: Getty Images)

Die amerikanische Waffenlobby umwirbt die Country-Musiker. Die danken es mit patriotischen Liedern - und nach Massakern wie in Las Vegas schweigen sie.

Von Beate Wild

Hank Williams Jr. ist der Traum der amerikanischen Waffenlobby. Er singt gerne über Patriotismus, das Leben in der Natur, Gott und oft auch über Waffen. Sein Song "God And Guns" handelt beispielsweise davon, dass Politiker dem "kleinen Mann" seine Waffen nehmen wollen. "Darauf" - also auf die Waffen - "gründet sich schließlich unser Land", so der Songtext.

Hank Williams Jr. ist der Sohn des auch von Bob Dylan verehrten Country-Heiligen Hank Williams, ein Waffennarr, ein "true believer", ein echter Gläubiger und Mitglied der republikanischen Partei. 2012 spielte er mit dem Gedanken, für den US-Senat für Tennessee zu kandidieren, ließ dann aber von diesem Vorhaben ab - vorerst. Solche wie ihn kann die National Rifle Association (NRA), Amerikas einflussreichste Lobby-Organisation für Schusswaffen, gut gebrauchen. Die NRA hat seit Längerem ein Imageproblem. 12 000 Morde durch Feuerwaffen jährlich - Selbstmorde nicht mit eingerechnet - sind Gift für die Reputation der Waffenlobby.

Vor ein paar Jahren bereits haben die Verantwortlichen bei der NRA begonnen, Country-Musiker offiziell zu fördern. Leben auf dem Land bedeutete in den USA schon immer: jagen, fischen, schießen. Waffen gibt es zwar überall in Amerika, doch laut einer Umfrage des Pew Research Centers besitzen auf dem Land 46 Prozent der Erwachsenen ein Gewehr oder einen Revolver, während es im städtischen Milieu nur 19 Prozent sind. "Die Verbindung zwischen dem Country-Publikum und der NRA war immer schon eng", sagt Don Cusic, Country-Experte und Professor der Musikgeschichte an der Belmont University in Nashville, Tennessee. Country-Fans pflegten in der Regel "konservative Ansichten", dazu gehöre das Lob der NRA und der Waffenkultur. Auf der 2010 gestarteten Webseite "NRA Country" werden Sänger vorgestellt und gesponserte Veranstaltungen präsentiert. Es gibt einen "Künstler des Monats" und einen Shop mit NRA-Kappen, -Bechern, -Shirts.

Einer der NRA-geförderten Künstler ist Drew Baldridge, ein 26-jähriger aufstrebender Country-Musiker aus Illinois. Sein aktueller Hit heißt "Guns and Roses". Die Waffen stehen für einen jungen Mann, die Rosen für eine Frau. Auf Facebook hat Baldridge 43 000 Fans. Sogar das Musikmagazin Rolling Stone, sonst eher nicht als Freund der NRA bekannt, lobte das Lied als "treibenden Pop-Country-Song".

Die meisten Country-Musiker sind vom gleichen Typ: raue Kerle, im Karohemd oder Muskelshirt, gerne tätowiert, fast immer mit Cowboyhut oder Baseballkappe, mindestens Dreitage-, wenn nicht Vollbart. Im Video präsentieren sie sich mit Pferd, Truck oder Harley und einer Frau im Schlepptau. Die Hauptrolle aber spielt die Waffe.

Dass es die Fans genauso sehen, kann man den Kommentaren unter den Videos entnehmen. Einer schreibt etwa: "Hab' eine Kaliber 40 auf meinem Nachttisch, Baby". Ein anderer: "Verfluchte, blöde Liberale, ihr habt keine Chance uns unsere Waffen wegzunehmen. Nur über meine Leiche!" Und wieder ein anderer: "Trump Nation! Gott schütze Amerika! Machen wir Amerika wieder groß!"

"Kein Country-Künstler wird jemals falschliegen, wenn er offen für Waffen und Schießen eintritt", erklärt Professor Don Cusic. Das gehöre zum Image vom "lärmenden, guten, alten Jungen, der an der frischen Luft ist und Spaß haben will, der ein bisschen rücksichtslos ist, aber mit einem Herzen aus Gold." Cusic nennt das "rauen Individualismus von seiner besten Seite".

Doch seit Oktober hat die harmonische Verbindung zwischen Waffen und Countrymusik einen Riss bekommen - und zwar in Las Vegas: Auf dem Country-Festival Route 91 Harvest schoss der 64-jährige Stephen Paddock aus dem 32. Stock des Mandalay-Bay-Hotels auf die feiernden Menschen. 58 Menschen starben, 546 wurden verletzt. Drew Baldridge, der NRA-Künstler des Monats, war am Abend vor dem Massaker aufgetreten, unter anderem mit "Guns and Roses". Seitdem geht er den Medien aus dem Weg. In einem Beitrag von Vice News sagt er lediglich: "Ja, ich bin genau mittendrin. Aber ich glaube, meine Fans denken nicht mal darüber nach."

So vorsichtig reagieren viele CountryKünstler. Die meisten schweigen. Wer seine Meinung sagt, riskiert die Karriere, so wie einst die Dixie Chicks. Die Frauen-Country-Band aus Dallas beging im März 2003 fast kommerziellen Selbstmord, weil sie den damaligen Präsidenten George W. Bush für den Irakkrieg kritisierten. Die Musik der Dixie Chicks wurde in vielen Radiostationen nicht mehr gespielt. Fans wollten keine Platten mehr kaufen und nicht mehr zu ihren Konzerten gehen. Ein paar Jahre schien es, als hätten die Äußerungen die drei Sängerinnen ihre Karriere gekostet. Die fünf Grammys, die sie 2007 gewannen, waren dann zwar eine Genugtuung für sie, doch viele Konservative wollen bis heute nichts von der Band wissen.

Nach der nächsten Bluttat werden Country-Sänger wieder nur "Gedanken und Gebete" anbieten

Mit der NRA verhält es sich ähnlich wie damals mit dem Irak-Krieg: Zweifel am Waffenbesitz ist unerwünscht, schon gar nicht durch Country-Musiker. "Es ist keine Situation, bei der ein Country-Musiker gewinnen kann", sagt Cusic. Wie stark der Einfluss der NRA auf die Politik ist, zeigen die 54,4 Millionen Dollar, die die Organisation im Wahlkampf 2016 für die Republikaner ausgegeben hat.

Ein paar Country-Stars trauen sich trotzdem. Nach dem Massaker in Las Vegas veröffentlichte Caleb Keeter, Gitarrist der Josh-Abbott-Band, die auf dem Festival gespielt hatte, eine Stellungnahme: "Ich war mein Leben lang ein Befürworter des Rechts auf Waffen. Bis zu den Ereignissen der letzten Nacht. Ich kann sagen, wie falsch ich lag. Wir haben sogar Crewmitglieder mit legalen Feuerwaffen im Bus, doch diese waren nutzlos." Mit dem letzten Satz spielt Keeter auf den gängigen NRA-Mythos an, dass ein "böser Junge mit einer Waffe" stets von einem "guten Jungen mit einer Waffe" gestoppt werden könne. Auch Präsident Trump spricht oft davon. Inzwischen sagt Keeter: "Genug ist genug. Wir brauchen Waffenkontrollen. Sofort."

Auch Rosanne Cash, die Tochter von Johnny Cash, der in seinen Songs stets lieber von sozialen Problemen sang als von Cowboy-Romantik, erhob ihre Stimme. Die Country-Sängerin ist seit 20 Jahren Aktivistin für strengere Waffengesetze. In der New York Times schrieb sie, die NRA fördere Künstler nach dem Motto: "Feiere deinen Lifestyle". Die Wahrheit aber sei düster: "Man kann es nicht anders sagen: Die NRA finanziert heimischen Terrorismus." Jene Menschen, die Regulierungen für den Umgang mit Waffen machen, würden von den Waffenverkäufen profitieren, schreibt Cash. Mit Millionen von Dollar beeinflusse die NRA den Kongress: "Ich möchten den Künstlern in der Country-Musik Mut machen, ihr Schweigen zu brechen."

Professor Cusic hält das für unwahrscheinlich: Beim nächsten Massaker werden die Country-Musiker wie immer routinemäßig "Gedanken und Gebete" anbieten und dem Todesschützen geistige Verwirrung unterstellen, schätzt er. Johnny Cash sang 1958 in seinem Song "Don't take your guns to town" über den jungen Billy, der trotz der Warnung seiner Mutter bewaffnet in die Stadt fährt, in eine Schießerei gerät und getötet wird. Sechs Jahrzehnte später hätte Cash mit dem Song wohl keinen Erfolg mehr.

© SZ vom 04.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: