Comic & Musik:Alter Ego des Zeichners

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Gemalte Klänge: Nie produzierten Bilder so hörbar Musik, wie es die Barden-Cartoons Albert Uderzos so herzzerreißend grell tun.

Von Reinhard J. Brembeck

Maler haben sich schon immer in der für sie allerschwierigsten Kunst versucht: Musik mit Griffel und Farbe darzustellen. Aber egal, ob bei Caravaggio oder Tizian, nie evozierten Bilder so hörbar Musik, wie es die Barden-Cartoons Uderzos so herzzerreißend grell tun. Diese gemalte Musik ist so laut, dass man Troubadix kaum mehr sieht. Das ist bedauerlich, denn diese Figur ist sehr viel mehr als ein Comic gewordenes Klischee. In der selbstbewusst schlaksigen Gestalt lässt nicht nur Wilhelm IX. von Aquitanien erkennen, der Urvater aller Troubadore, sondern auch Serge Gainsbourg, Gilbert Bécaud - und natürlich der Bürgerschreckavantgardist Pierre Boulez. Dass der Barde der einzige regelmäßig widerkehrende Künstler in den Asterix-Bänden ist, macht ihn zum Alter Ego Uderzos, der hier seine Ängste vor dem Scheitern zeichnet.

Die Chansonniers und der Komponist Boulez waren in den Fünfzigerjahren, als der erste "Asterix" erschien, zwar Antipoden, aber auch skandalträchtige Aushängeschilder der französischen Musik. Die Musiker waren eben nicht so staatstragend brav wie ihr Kollege Benjamin Britten, der 1953 ganz selbstverständlich die Oper "Gloriana" für die Krönung von Queen Elizabeth schrieb. Dagegen hätten sich Boulez, Gainsbourg und der Barde sofort zusammengetan, um etwas für die Krönung des unflätig bösartigen König Ubu zu schreiben. Uderzos Zeichnungen sind die idealen Partituren für die Gelage an Ubus Hof. Sein Barde hätte dort auch garantiert jene begeisterte Zustimmung gefunden, die ihm die kleine Dorfgemeinschaft daheim mit rabiaten Mitteln verweigert. Der geknebelte Sänger, fernab der finalen Feierlaune, ist aber jedes Mal der Beleg für die gängige Intoleranz der Gesellschaft gegen alle Abweichler.

© SZ vom 25.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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