Comic-Kolumne:Nicht nur Prinz Eisenherz

Lesezeit: 3 min

Durchsetzt mit Fantasy- und Science-Fiction-Elementen kommt das Mittelalter im Comic wieder vor.

Von CHRISTOPH HAAS

Es gibt einige klassische Serien, die im Mittelalter spielen: Hal Fosters "Prinz Eisenherz" zum Beispiel, "Johann und Pfiffikus" von Peyo, dem Erfinder der "Schlümpfe", oder "Die Türme von Bos-Maury" des belgischen Altmeisters Hermann Huppen. So richtig populär ist die Zeit der edlen Ritter, der Burgfräulein und Turniere im Comic aber nicht. Zumindest den Anschein historischer Korrektheit zu erzielen, ist für Zeichner und Szenaristen immer recht aufwendig, und das Publikum liebt es ohnehin eher, wenn, wie oft im Genre der Fantasy, Mittelalterliches mit Fantastisch-Märchenhaftem und Horror-Elementen bunt gemischt wird.

(Foto: N/A)

So ist es auch in Das Goldene Zeitalter (Reprodukt); dennoch ist dieser erste Band eines Zweiteilers von der üblichen Fantasykost himmelweit entfernt. Die Königstochter Tilda will nach dem Tod ihres Vaters den Thron besteigen. Ein machtbewusster hoher Kleriker, ihre Mutter und ihr Bruder wissen dies zu verhindern. Tilda wird in die Verbannung geschickt, auf dem Weg dorthin jedoch befreit. Mit dem Ziel unterwegs, einen sagenhaften Schatz zu finden, der es ihr ermöglichen soll, die Macht zurückzuerobern, erfährt Tilda, dass in ihrem Reich große Nöte und Unruhe herrschen. Das unterdrückte, hungernde Volk begehrt auf, in der Hoffnung, ein Paradies auf Erden zu schaffen, in dem alle frei und glücklich leben. Das Szenario von Roxanne Moreil hält nicht nur die üblichen überraschenden Wendungen bereit, sondern auch komplexe Figuren und eine differenzierte Darstellung politischer und sozialer Konflikte, wie sie für die frühe Neuzeit typisch waren. Einfach sensationell sind die Zeichnungen Cyril Pedrosas, die sich immer wieder an der Gobelinkunst orientieren, unter anderem aufgrund der psychedelischen Kolorierung aber eine ganz eigene, bizarre Schönheit besitzen.

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Einen Crossover von Mittelalter und Science-Fiction bietet Lake of Fire (CrossCult) von Nathan Fairbairn (Text) und Matt Smith (Zeichnungen), der in Südfrankreich im Jahr 1220 spielt. Ein riesiges Raumschiff stürzt in den Pyrenäen ab; heraus quellen mordlustige Insektenwesen, die dem Alien im Filmklassiker von Ridley Scott gleichen. Eine Handvoll Ritter und Dorfbewohner stellt sich ihnen entgegen. Im Hintergrund: der Vernichtungsfeldzug der romtreuen Christen gegen die fundamentalistische Sekte der Katharer; ein tapferes Mädchen aus deren Reihen wird am Ende zu den wenigen Überlebenden im Kampf gegen die Außerirdischen gehören.

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Als Bad Boys des frühen Mittelalters gelten die Wikinger. Dass sie nicht nur Piraten, sondern auch Bauern und Händler waren - geschenkt. In der Popkultur treten sie stets als rabiate Raufbolde auf. So ist es auch in Black Road (zwei Bände, Panini). Magnus der Schwarze, ein Mann mit der Statur des Hulk, schlägt sich als Söldner durch. Dem Christentum, das sich gerade, nicht immer auf friedliche Weise, verbreitet, steht er skeptisch gegenüber; allerdings lockt ihn die Aussicht, seine geliebte, bei einem Überfall ermordete Frau vielleicht im Jenseits wiederzusehen. Eines Tages nimmt Magnus den Auftrag an, einen Kardinal über die berüchtigte Schwarze Straße in den hohen Norden zu begleiten. Dort träumt ein häretischer, skrupelloser Bischof davon, ein neues Rom zu errichten, mit sich als Oberhaupt. Vom Verlag wird "Black Road" als Mittelalter-Noir-Krimi beworben. Das ist irreführend. Als Vorbild für diese Reise in eine Welt voll Wahn und Gewalt dürfte dem Szenaristen Brian Wood eher Joseph Conrads Roman "Heart of Darkness" oder dessen freie Adaptation, Francis F. Coppolas "Apocalypse Now", gedient haben. Die Bilder bemühen sich um eine dem Sujet angemessene Grobheit; mitunter wirken sie, als habe Garry Brown sein Zeichnerwerkzeug wie ein Schwert geführt.

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Schon seit 2005 läuft die inzwischen beim 21. Band angekommene Vinland Saga (Carlsen) von Makoto Yukimura (Text/Zeichnungen). In der Fiktion stecken auch hier ein paar Körnchen historischer Wahrheit. Als Vinland Sagas werden ursprünglich zwei mittelalterliche Texte bezeichnet, die von der Entdeckung und zeitweisen Besiedlung Nordamerikas durch skandinavische Seefahrer erzählen; einer von ihnen war ein gewisser Thorfinn Karlsefni. So heißt auch der Held dieses Mangas; allerdings besitzt er eine weit wildere Biografie, als es bei seinem Vorbild aus dem 11. Jahrhundert wohl der Fall war. Thorfinn ist hier der Sohn eines berühmten Kriegers, der den Söldnerbund der Jomswikinger verlassen hat, um ein friedliches Leben zu führen. Als er getötet wird, schwört Thorfinn Rache. Er wird eine Art Kindersoldat, der unbarmherzig metzelt. Erwachsen geworden, schwört er jedoch der Gewalt ab. Bei der Schilderung von Thorfinns inneren Konflikten bleibt es aber nicht; dafür hat Yukimura zu viel Spaß daran, rasante, blutige Action-Sequenzen zu zeichnen.

© SZ vom 27.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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