Cartoons über Männer:Die Krone der Erschöpfung

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Stummelbeinige Kerle mit flaschenglasdicken Brillen: In Bernd Pfarrs Männerwelt ist selbst der liebe Gott ein Zausel.

Alex Rühle

Es gibt nicht viele Sachen, die einem helfen an lebenstechnisch verregneten Tagen: Bach hören. Laufen gehen. Eine Buchhandlung betreten und sich mit etwas Schönem in eine Ecke verziehen. Wenigstens momentweise glaubt man dann, ab sofort gefeit zu sein gegen alle Unbill. Komm nur her, scheußliche Welt, ich will dich auflösen in Wohlgefallen und Anmut! Dass sich die Welt nichts scheißt und hässlich bleibt wie eh und je, steht auf einem anderen Blatt. Auf einem aber, das sicher nicht von Bernd Pfarr bemalt wurde, der mal auf die Frage, ob er seinen Figuren die Realität austreiben wolle, sagte: "Ich würde am liebsten der ganzen Welt die Realität austreiben!"

Dass der wunderbare Zeichner, Maler und Cartoonist Bernd Pfarr im Juli 2004 im Alter von gerade mal 45 Jahren sterben musste, zeigt eigentlich letztgültig, wie widerwärtig die Welt ist. Gabriele Roth-Pfarr, seine Frau, hat nun aber aus dem Werk ihres Mannes Gemälde für die Edition Büchergilde zusammengestellt, Gemälde, auf denen stets Männer zu sehen sind: "Die Herren der Schöpfung". Ein geradezu tröstliches Buch für alle Verspulten dieser Erde.

Auf dem ersten Bild des Bandes sieht man ein stummelbeiniges Männchen mit flaschenglasdicker Brille und dichtem Bart in einer verkruschten Seitenstraße stehen: "Mit tiefer Befriedigung betrachtete Gott von Zeit zu Zeit dieses kleine Mäuerchen, welches ihm bei der Erschaffung der Welt von allem wohl am besten gelungen war." Pfarr, der Schöpfer dieser Bilderwelt, war ähnlich perfektionistisch wie der liebe Gott: Er fotografierte und archivierte unermüdlich architektonische Motive, man kann schließlich nie wissen, wofür man sie mal braucht. Oft schmiss er fertige Aquarelle in den Abfall, nur weil ihm die Tönung einer Mauer, ein Wolkenfleck, der Schatten eines Gestrüpps nicht recht gefielen.

"Er zollte jeder Form von Perfektion stets Respekt", schreibt seine Frau im Nachwort, "ob es sich dabei um Kunst, Bücher, Wein, Speisen oder Dinge des täglichen Lebens handelte." Auch seine Figuren wären so unendlich gerne perfekt, scheitern damit aber meist schon im Ansatz und verlieren sich in abseitigen Räumen des Lebens, ähnlich wie Theseus, den er immer wieder in seinem Labyrinth und im vergeblichen Kampf mit dem Ariadnefaden malt. Selbst die ganz großen Helden der Weltgeschichte, Odysseus, Noah und der Papst, werden bei ihm zu eher linkshändigen Wesen, die im Lebenskleinklein steckenbleiben.

Doktor Semmler und der Sex

Paul Gräsers erfolgloses Zimmereckengekauer deutet schon an: Pfarrs Männer sind gelinde gesagt geschäftsuntüchtig. Sie mühen sich auf der ruhmabgewandten Seite dieses Planeten durch einen sorgsam abgedämpften Alltag und haben dabei immer noch genug zu erleiden. Koffergleich stehen ihre Körper oft in der Gegend herum, manchmal stoisch wie eine Brandmauer. In ihrem Tun aber sind sie fast immer von samtener Rücksichtnahme und Vorsicht beseelt.

Schwer vorstellbar, dass einer von ihnen auf die Idee käme, stramm einen Kontinent zu erforschen, einen gut sortierten Baumarkt zu eröffnen oder einen Achttausender erstmals zu bezwingen. Wobei - einmal sieht man im Hintergrund einer verschneiten Gebirgslandschaft einen Mann herumstiefeln. Im Vordergrund wringt der Yeti einen Wischmob vor seinem Haus aus und schaut entsetzt auf die dunklen Fußspuren des Mannes. "Wahrscheinlich hätte Bergsteiger Alois Imboden nicht für verschollen erklärt werden müssen, hätte er den frisch gefeudelten K2 mit sauberen Schuhen betreten."

Bergsteiger Alois Imboden: Bernd Pfarr stand nie auf schlumpig selbstgefälligem Duzton mit seinen Figuren. Hatte er sie einmal aus seinem Pinsel in ihr seltsames Leben entlassen, war es ihm anscheinend meist inneres Bedürfnis, sie zuvorkommend zu behandeln und mit ganzem Namen anzusprechen: Doktor Semmler, Herr Webmüller, Hermann Wolfertz.

Solch komplexe Dinge wie die Libido kommen diesen Männern mit ihren akkuraten, immer ein wenig nach Beamtenstube und Ärmelschonern klingenden Namen, eher in die Quere als in den Sinn, ja die Sexualität bleibt ihnen etwas nie so recht Bezwingbares, Unerledigtes, Abgebrochenes.

Elke Heidenreich schreibt in ihrem eigentlich ja schönen Vorwort: "Wenn ich diese Bilder angesehen habe, behandle ich - für kurze Zeit - die Männer in meiner Umgebung nachsichtiger." Diese vordergründig einfühlsame, aber doch eher behäbig herablassende Haltung wäre Pfarr seinen Figuren gegenüber nie in den Sinn gekommen. Sie mögen ihr Leben in Ecken verhocken oder verbissen eine Schublade bewachen, aus Angst, jemand könne ihnen ihre darin verwahrten Fußnägel entwenden - immer bleibt ihr Schöpfer ihnen mit heißem Herzen zugetan.

BERND PFARR: Die Herren der Schöpfung. Herausgegeben und mit einem Nachwort von Gabriele Roth-Pfarr. Edition Büchergilde, Frankfurt am Main 2006. 143 Seiten, 29,90 Euro.

© SZ v. 8.11.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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