Burda: Todenhöfer-Abschied:"Nicht immer zu treffen, gehört dazu"

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Nach 21 Jahren verlässt Jürgen Todenhöfer die Chef-Etage von Burda: Ein Gespräch über Tops, Flops und die Zukunft der Printmedien.

Caspar Busse und Hans-Jürgen Jakobs

Jürgen Todenhöfer, 67, wurde als Sohn eines Amtsrichters in Offenburg geboren. Er studierte Jura und kam 1972 für die CDU in den Bundestag, beschäftigte sich mit Entwicklungspolitik und profilierte sich als Konservativer. Im Februar 1987 fing er im Burda-Konzern an, nur Monate später wurde er Stellvertreter von Verleger Hubert Burda, mit dem er gemeinsam zur Schule gegangen ist. Zuletzt schrieb er den Bestseller "Warum tötest du, Zaid?"

Jürgen Todenhöfer (Foto: Foto: dpa)

SZ: Herr Todenhöfer, die Verlagsbranche steht derzeit unter Druck. Anzeigen und Umsätze schwinden, junge Leute zieht es ins Internet. Ist jetzt für Sie der richtige Zeitpunkt gekommen, zu gehen - weil die Party vorbei ist?

Jürgen Todenhöfer: Mit gut gemachten Zeitungen und Zeitschriften kann man noch mindestens 50 Jahre richtig gut Geld verdienen. Die Menschen wollen auch in Zukunft gut informiert und unterhalten werden. Ich glaube an die Faszination Print.

SZ: Sie waren mehr als 20 Jahre im Geschäft. Ist es, wenn Sie zurückschauen, die schwerste Krise der Branche?

Todenhöfer: Burda hat im ersten Halbjahr 2008 durch die Verlage im Ausland und das Internet den Umsatz um fast sechs Prozent gesteigert. Das deutsche Geschäft ist zurzeit auch für uns sehr schwierig. Es gab eine vergleichbare Situation, als das private Fernsehen eingeführt wurde. Damals traten auch viele Untergangspropheten auf. Richtig bleibt: Morgens die Zeitung und nachmittags eine Zeitschrift zu lesen, ist ein Genuss. Viele, die älter als 35 sind, können mit dem Internet nicht wirklich umgehen, auch wenn sie das Gegenteil behaupten.

SZ: So schwer ist es ja nicht, online aktuelle Artikel zu lesen.

Todenhöfer: Alle Untersuchungen zeigen, dass im Internet nur kurze Stücke gerne gelesen werden. Um die Welt zu verstehen, muss aber auch mal ein längeres Stück lesen. Print hat gegenüber Online zwei große Vorteile: Glaubwürdigkeit und Genuss.

SZ: Glauben Sie nicht, dass Texte im Internet ähnlich glaubwürdig sind?

Todenhöfer: Print ist etwas Besonderes. Mein Sohn, der in New York studiert hat, ist ständig mit dem Blackberry unterwegs und liest trotzdem die New York Times - gedruckt. Natürlich wird es eines Tages weniger Zeitschriften und Zeitungen geben. Aber immer noch sehr viele, die eine wirtschaftliche Zukunft haben. Außerdem: Print wird immer das Medium der Eliten sein. Eliten können sich über das Internet nicht wirklich ausreichend informieren.

SZ: Der Verleger Hubert Burda hat Sie 1987 geholt, weil er seine Privatfernseh-Aktivitäten stärken wollte. Der CDU-Politiker Jürgen Todenhöfer sollte seine medienpolitischen Verbindungen spielen lassen.

Todenhöfer: Hubert Burda hatte immer eine sehr feine Art, Menschen ins Spiel zu bringen. Um Widerstände gar nicht erst aufkommen zu lassen, hat er mir damals zunächst den kleinsten Geschäftsbereich gegeben, das Fernsehen. Ein halbes Jahr später, als seine Mitarbeiter feststellten, dass ich ein ganz normaler Mensch bin, wurde ich stellvertretender Vorstandsvorsitzender. Das war schon die hohe Kunst der Unternehmensführung für Fortgeschrittene.

SZ: Sie sind Anfang der siebziger Jahre schon einmal gefragt worden, ob Sie bei Burda arbeiten wollen.

Todenhöfer: Das war der Senator, Hubert Burdas Vater. Aber da wir beide Dickköpfe waren, haben wir uns wegen irgendeiner Kleinigkeit nicht geeinigt. Ich sollte in der Rechtsabteilung arbeiten - und wäre jetzt Chefjustiziar des Hauses oder so etwas Ähnliches. Da gibt es heute mit Professor Schweizer einen viel besseren.

SZ: Sie wurden Politiker und saßen für die CDU im Bundestag. War der Sprung zu Burda eine Art Abenteuer?

Todenhöfer: Ich kenne Hubert Burda seit fast 60 Jahren. Wir sind zusammen in die Schule gegangen und haben uns dann aus den Augen verloren. Erst 15 Jahre später haben wir uns wieder getroffen. Als sein Vater 1986 starb und er Alleingesellschafter des Verlags und der Druckerei wurde, hat er gefragt, ob ich Lust hätte, zu ihm zu kommen. Das fand ich natürlich spannend.

SZ: Und es war klar, dass Sie gleich eng an seiner Seite stehen?

Todenhöfer: Ja. Hubert Burda ist ein kreativer, innovativer Visionär - und ich sollte im Hintergrund Ordnung schaffen. In meinem Vertrag steht wörtlich, dass ich nur Hausmeister bin - "Major domus".

SZ: Ein Hausmeister, der neu war in der Verlagsbranche.

Todenhöfer: Ich war zuständig für die Abteilung: "Gesunder Menschenverstand". Meine Aufgabe können Sie nur verstehen, wenn Sie mich in Ergänzung zum Visionär Hubert Burda sehen. Ich war derjenige, von dem er Widerspruch und Ordnung erwartete - nicht überall, aber in den meisten Bereichen.

SZ: Manager, die Ordnung schaffen, sind für unangenehme Themen wie Stellenstreichen und Kostensenken verantwortlich. Damit macht man sich bei Mitarbeitern schnell unbeliebt.

Todenhöfer: Ich habe mich immer auch als Ombudsmann der Belegschaft gesehen. Die Mitarbeiter konnten mit allen Anliegen zu mir kommen, ich habe sie bei Hubert Burda vertreten. Ich war einer von ihnen und habe im Unternehmen sehr viele Freunde. Das ist auch der Grund, warum ich trotz der Erleichterung, die ich über mein Ausscheiden empfinde, auch traurig bin.

SZ: 1987 haben viele Hubert Burda nicht zugetraut, dass er den Verlag lange selbstständig leiten kann - offenbar auch seine Brüder Franz und Frieder nicht, die andere Teile des Unternehmens wie eine Papierfabrik, Druckereien oder eine Beteiligung am Axel Springer Verlag übernahmen. Haben Sie auch Zweifel gehabt?

Todenhöfer: Nein. Ich wusste, das wird ein großer Verleger. Hubert Burda hat mir viel Platz gelassen und erlaubt, richtig gute Leute zu holen. Leute, die auf ihrem Fachgebiet viel besser waren als ich, wie den leider verunglückten Gerd Bolls, Helmut Markwort oder Paul-Bernhard Kallen. Wir haben, wenn ich an unsere Geschäftsführer und Chefredakteure denke, inzwischen eine tolle Mannschaft.

SZ: Was würden Sie als die größten Irrtümer ansehen?

Todenhöfer: Wenn Luca Toni mit 24 Toren Torschützenkönig der Bundesliga wird, dann hat er mindestens 100 mal erfolglos auf, neben oder über das Tor geschossen. Nicht immer zu treffen, gehört zum Torjäger dazu. Auch Unternehmer und Manager treffen nicht nur richtige Entscheidungen. Und auch ich habe falsche Entscheidungen getroffen. In der Summe aber waren wir ziemlich erfolgreich.

SZ: Was war mit der Boulevardzeitung Super, die Burda nach der Wende in Ostdeutschland zusammen mit Rupert Murdoch startete - und die nach einem Jahr wieder eingestellt werden musste?

Todenhöfer: Davor hatte ich heftig gewarnt. Als trotz hoher Auflagen die Anzeigen ausblieben, habe ich Hubert Burda mehrfach gebeten, sie einzustellen. Ich bin dann schließlich nach Berlin gegangen und habe sie eingestellt. Mein größter Irrtum war der zu frühe Start der Frauenzeitschrift Vivian. Da war Hubert Burda kritischer und weitsichtiger. Bei Vivian bin ich aus der Rolle des Ordnungsschaffers, des Kontrolleurs herausgegangen und habe für das Objekt geworben. Dadurch sind wir viel zu früh gestartet. Das habe ich ganz allein zu verantworten.

SZ: Nach der Super-Pleite kam Focus. Ohne den großen Anzeigenerfolg dieses Nachrichtenmagazins hätte Burda womöglich wirtschaftliche Probleme bekommen.

Todenhöfer: Als ich damals nach der Schließung von Super abgekämpft aus Berlin zurückkam, hat mich Hubert Burda fest entschlossen angeschaut und gesagt: "Und jetzt machen wir Focus!" Hubert Burda ist durch nichts unterzukriegen - auch nicht durch die jetzige Krise. Deswegen hat er auch diesen unglaublichen Drang, das Ruder selbst in die Hand zu nehmen, es herumzureißen und neue Dinge zu machen.

SZ: Welche neuen Dinge?

Todenhöfer: Sehr viel Internet. In Sachen Zeitschriften und Print bin ich einen Tick optimistischer als er.

SZ: Warum sind Sie "auch erleichtert", aufzuhören?

Todenhöfer: Ende 1987 wurde ich stellvertretender Vorsitzender und Fachvorstand für Verwaltung, Personal und EDV. Als ich mich endlich richtig eingearbeitet hatte, verließ uns der Finanz- und Druckchef - da musste ich das auch noch machen. Ich bin damals jeden Samstag und Sonntag morgens um fünf Uhr aufgestanden und habe Literatur über Controlling und Buchhaltung durchgearbeitet. Als ich auch das richtig drauf hatte, verunglückte Verlagschef Bolls tödlich. Ich habe Hubert Burda für dessen Job Helmut Markwort vorgeschlagen, weil der einfach Klassen besser war als ich, doch Hubert Burda sagte: "Das machst Du!" Und dann hat er mir auch das noch aufgeladen.

SZ: Wie ist ihr Verhältnis zu Burda?

Todenhöfer: Hubert Burda ist ein großartiger Freund, aber einer, der viel Druck ausübt. Wenn er Verantwortung überträgt, dann hat man wirklich Verantwortung und einen riesigen Erfolgsdruck. Ich hatte am Schluss Verantwortung für 57 Prozent des Umsatzes. Das ist eine Menge. Es geht um 7000 Menschen, die Hubert Burda ernährt.

SZ: Jetzt machen Sie einen radikalen Schnitt. Man würde erwarten, dass Sie dem Unternehmen weiter zur Verfügung stehen, zum Beispiel in einem Beirat oder Aufsichtsrat.

Todenhöfer: Das haben wir diskutiert, aber das kann ich nicht. Ich kann nicht in einem Haus, in dem ich, wie gesagt, der Hausmeister war, gelegentlich auftauchen und weise Ratschläge erteilen oder auf Partys rumstehen. Als ich in Tübingen als Abgeordneter aufhörte, habe ich auch nie wieder eine politische Veranstaltung besucht.

SZ: Nicht einmal zur 50. Bambi-Party werden Sie Ende November erscheinen - obwohl Sie dafür gekämpft haben, dass Bambi in Ihre Heimatstadt Offenburg kommt. Was sagt der Verleger dazu?

Todenhöfer: Wenn man sagt, man geht, dann sollte man auch bald gehen. Bei dem hohen Durchschnittalter unseres Vorstands musste dieser Wechsel einfach sein. Ich finde es ja nett, dass mich jetzt alle fragen, warum ich in meinem Alter schon gehe. Danke für das Kompliment!

SZ: Wollte Hubert Burda den Generationenwechsel schon früher?

Todenhöfer: Nicht wirklich.

SZ: Warum nicht?

Todenhöfer: Weil Hubert Burda seine Mannschaft zu Recht klasse fand. Als Ratzinger mit 78 Papst wurde, dachten einige, sie blieben jetzt ewig im Vorstand.

SZ: Generationenwechsel bei Burda - was passiert als nächstes?

Todenhöfer: Hubert Burda lässt zurzeit niemanden in seine Karten schauen. Auch mich nicht.

SZ: Sie haben keine Vorstellungen, wie Burda sein Familien-Unternehmen organisieren will?

Todenhöfer: Ich weiß, dass er jetzt drei neue, jüngere Leute hat, die ich stark finde. Paul-Bernhard Kallen könnte jedes Dax-Unternehmen führen. Christiane zu Salm ist eine begnadete Verkäuferin, Philipp Welte ein Marketing-Ass. Er war mit 18 Jahren mein Wahlkreisassistent in Tübingen. Welte hat zusammen mit Patricia Riekel das Image der Bunten in einer Weise verändert, vor der ich nur den Hut ziehen kann.

SZ: Umso unverständlicher, dass er zwischendurch zum Springer-Konzern ausgebüchst ist und wiedergeholt werden musste.

Todenhöfer: Das ist wie beim FC Bayern München. Zé Roberto war auch mal weg. Ich glaube, dass es Welte gut getan hat, eine Weile bei der Konkurrenz zu sehen, wie schön es bei Burda ist.

SZ: Wollen Sie ihm noch ein paar Ratschläge geben?

Todenhöfer: Er hat ja zu seinem Glück nur einen Teil meiner Zuständigkeiten, nämlich die Verlage in Deutschland. Der Rest geht zu Kallen und Salm. Mein Erfolgsrezept heißt: Finde gute Leute, die fachlich kompetent und menschlich klasse sind. Wenn du die gefunden hast, lass sie machen.

SZ: Haben Sie Vorbilder?

Todenhöfer: Uli Hoeneß. Der schaut, dass Spitzenleute zum FC Bayern kommen und behandelt sie menschlich gut. Und weil er das jedes Jahr schafft, blüht der FC Bayern - meistens jedenfalls. Und Dietmar Hopp, ein Mann, der karitativ unendlich viel für andere tut und ganz nebenbei den Traum aller Fußballbuben realisiert, von der C-Klasse in die Bundesliga zu stürmen. Hopp ist wie Hoeneß ein Mann mit einem riesigen Herzen.

SZ: Würden Sie sagen, Hubert Burda ist der letzte Verleger in Deutschland?

Todenhöfer: Er ist der einzige wirkliche Verleger. Er ist ein schwieriger Mensch, mit dem ich viel ringen musste, aber er hat seine Ziele erreicht. Er wollte der größte Verleger werden und er ist es, eine verlegerische Lichtgestalt.

SZ: Was macht einen Verleger aus Ihrer Sicht aus?

Todenhöfer: Dass man ein verlegerisches Gen hat und Menschen perfekt informieren und unterhalten will und kann. Sein Lieblingssatz, der ihn umtreibt, lautet: Where is a need for communication?

SZ: Um die Mitarbeiter anzuregen?

Todenhöfer: Und um kreatives Chaos zu schaffen. Er hat immer wieder alles durcheinander gewirbelt.

SZ: Wer wird für den Journalismus im Hauses Burda künftig zuständig sein? Helmut Markwort ist 71 Jahre alt, also älter Sie. Wird es da bald einen Wechsel geben?

Todenhöfer: Das weiß ich nicht. Für Journalisten gibt es keine Altersgrenze. Für Kaufleute gilt etwas anderes.

SZ: Ist denn Focus kaufmännisch noch ein Erfolgsmodell?

Todenhöfer: Focus wird auch dieses Jahr Geld verdienen. Wenn man gewichtet, wer was zum Erfolg des Unternehmens beigetragen hat, hat Markwort den mit Abstand größten Beitrag geleistet.

SZ: Finanziell oder imagemäßig?

Todenhöfer: Imagemäßig von Anfang bis heute. Und finanziell vor allem in den Zeiten, als es Nachrichtenmagazine noch leichter hatten, also vor dem Siegeszug des Internets.

SZ: Herr Todenhöfer, Sie waren nur "Hausmeister" und haben einmal gesagt: "Die Stars sind die anderen." Jetzt sind Sie auch so etwas wie ein Star geworden.

Todenhöfer: Bin ich nicht. Ich bin nicht einmal ein D-Promi.

SZ: Aber Sie sind ein bekannter Autor. Ihre Bücher sind ganz oben in den Bestsellerlisten.

Todenhöfer: In Münchner Lokalen erkennt mich kein Ober, ich kriege immer die schlechtesten Tische. Eigentlich bin ich auch gerne im Hintergrund. Nur wenn ich ein Buch wie "Warum tötest Du, Zaid?" schreibe, muss ich in die Öffentlichkeit. Nächstes Jahr wird es dazu einen Film dazu geben, in dem der amerikanische Oscarpreisträger Nigel Noble Regie führt. Ab da spiele ich als Autor keine Rolle mehr. Auf diesen Augenblick freue ich mich. Ich setze sehr auf diesen Film, mit dem ich erreichen will, dass Muslime endlich weltweit genauso gut behandelt werden wie Juden und Christen.

SZ: Haben Sie das Gefühl, mit ihren Büchern etwas politisch bewegt zu haben?

Todenhöfer: Das war zumindest das Ziel.

SZ: Aber sind Sie auch weiter gekommen?

Todenhöfer: Wenn Sie an einen Strand gehen, sehen Sie unendlich viele Sandkörner, die alle für sich allein keine Bedeutung haben. Aber zusammen bilden sie einen wunderbarer Strand. Manchmal tauchen in Zeitungskommentaren oder Politikerreden Formulierungen auf, die mir sehr bekannt vorkommen, die vielleicht sogar von mir stammen. Das ermutigt mich. Da spüre ich, man kann ein bisschen was bewegen. Auch wenn man allein nur ein Sandkorn ist.

© SZ vom 4./5. Oktober 2008/odg - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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