Buchhandel in Frankreich:Verzichtbar

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Buchladen im französischen Metz. (Foto: imago images/Hans Lucas)

Die französischen Buchläden sind im Lockdown nicht essenziell. Deshalb sollen auch in anderen Geschäften keine Bücher mehr verkauft werden.

Von Joseph Hanimann

Auf die Frage, ob Bücher zu den notwendigen Alltagsdingen gehören, antwortet die französische Regierung wie schon im Frühjahr knallhart mit: Nein. Auch im zweiten Lockdown in Frankreich müssen die Buchhandlungen nun geschlossen bleiben.

Ein Offener Brief von 250 Autoren, Verlegern und Buchhändlern - darunter prominente Namen wie Patrick Modiano, Yasmina Reza, Antoine Gallimard - an den Präsidenten mit dem Aufruf, die Buchläden und Bibliotheken als Bollwerk gegen Intoleranz offen zu lassen, hat so wenig bewirkt wie Protestrufe.

Die Situation ist dabei eine andere als vor einem halben Jahr. Das Unbehagen gegenüber der starren Regelung reicht diesmal bis weit in die Regierung hinein. Und dass in Supermärkten neben Lebensmitteln weiterhin auch Bücher verkauft werden können, leuchtet immer weniger ein. Das veranlasste den Wirtschaftsminister Bruno Le Maire - selbst ein feinsinniger Literat, der schon bei Gallimard publiziert hat - und die Kulturministerin Roselyne Bachelot-Narquin zu einer gemeinsamen Erklärung. Aus Gründen der Gleichbehandlung mit den unabhängigen Buchläden, heißt es darin, seien die Buch- und Kulturrayons in den Supermärkten ab sofort zu schließen. Auch ermutigen sie die Buchhändler, wie der übrige Einzelhandel übers Click-and-Collect-System den Betrieb aufrechtzuerhalten.

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Ungünstiger hätten die Schließungen nicht kommen können

Und so steht jetzt vor vielen Buchhandlungen ein Tisch, der den Eingang versperrt, aber das Abholen der bestellten Bücher sowie ein kurzes Schwätzchen auf der Türschwelle möglich macht. Ein Drittel der gut 3000 unabhängigen Buchhandlungen hat sich in der gemeinsamen Suchmaschine librairiesindependantes.com zusammengeschlossen. Und für diese Woche versprachen die beiden Minister ein Treffen mit den Vertretern des Buchsektors. Ziel ist es, bei der von Macron angekündigten Etappenevaluierung in zwei Wochen die Regelung für Buchläden zu lockern.

Manche Bürgermeister wollten aber nicht so lang warten und haben beschlossen, etwa in Städten wie Perpignan, Valence, Colmar, dem Einzelhandel eigenmächtig Sondergenehmigungen fürs Öffnen zu erteilen. So weit wollte die Pariser Oberbürgermeisterin Anne Hidalgo nicht gehen. Sie macht aber seit mehreren Tagen Druck auf die Regierung. Kultur sei ein essenzielles Gut und sollte auch im Lockdown ein legitimer Grund für kurzen Ausgang sein, erklärt sie und will zusammen mit anderen Städten in den nächsten Tagen eine gemeinsame Initiative für das Ausnahmeprodukt Buch lancieren.

Ungünstiger hätte die Ladenschließung für den Buchhandel nicht kommen können. Mit dem Prix Goncourt in der kommenden Woche und den übrigen Preisen hätte die Vorweihnachtssaison gerade anfangen sollen. Dabei läuft die Endauswahl der vier Finalisten beim Prix Goncourt nicht dem Verkaufs- und Medientrend des Saisonstarts hinterher. Mit "Les impatientes" von Djaïli Amadou Amal, "L'anomalie" von Hervé Le Tellier, "L'historiographe du Royaume" von Maël Renouard und "Thésée, sa vie nouvelle" von Camille de Toledo wirkt sie eher überraschend.

Das seit dem Sommer umjubelte Buch "Yoga" von Emmanuel Carrère hat es nicht bis in die Endrunde geschafft. Für die Preisverkündigung von der Speisetafel des "Drouant" aus muss man sich aber gedulden. Eine Verkündigung bei zugleich geschlossenen Buchhandlungen sei für die Jury undenkbar, heißt es vonseiten der Académie Goncourt, aus Solidarität mit ihnen sei der Termin vertagt auf bessere Zeiten.

© SZ vom 04.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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