Buch und Skulptur:Geschnitzte Geschichten

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Reka Benedek, geboren in Budapest, hat in einem Buch "tröstliche Fantasien" und wahre Begebenheiten aus ihrem Leben verarbeitet. Dazu schnitzte sie Figuren, mit denen sie ihre Geschichten illustriert und Blicke hinter den Eisernen Vorhang gewährt.

Von Christine Dössel

Anfangs erfüllte sie freudig das Klischee vom bürgerlichen Eheglück: Sie machte die Betten und den Haushalt, kaufte ein, richtete sich her und wartete auf die Rückkehr des Mannes am späten Abend. Selbst die "tröstlichen Fantasien", in die sich die Wartende flüchtete, verließen nicht den Rahmen der Biederkeit: Von einem "kleinen Beamten" als Mann träumte sie, der pünktlich um fünf Uhr das Büro verlassen und zu ihr eilen würde, ein Ausbund an Verlässlichkeit. Abends würde er für sie Geige spielen, und seine Beständigkeit würde ihr Selbstwertgefühl steigern. Denn sie fühlte sich "bedeutungslos".

Gut, dass sich das geändert hat. Die Frau, die da so arglos von ihren kleinen Beamten-Träumen berichtet, hat als in München niedergelassene Psychoanalytikerin einen eigenen Berufsweg eingeschlagen. Und sie hat sich freigeschnitzt: Reka Benedek, geboren 1942 in Budapest - verheiratet mit dem Architekten und Karikaturisten Gabor Benedek -, fertigt zu den Geschichten aus ihrem Leben Figuren aus Holz, die sie bunt bemalt. Das können Dinge sein wie jene Buntstiftschachtel, um die sie als Erstklässlerin einst ihre Banknachbarin so beneidete. Oder der "Fünf-Eichen-Baum", auf den sie mit ihren drei Brüdern kletterte, um herunterzubieseln. Meistens aber zeigen die liebevoll geschnitzten Holzstatuetten Personen, die in Reka Benedeks Anekdoten vorkommen: Der schnauzbärtige Herr mit Schiebermütze ist "Onkel Honig", der einstige Chauffeur ihres Vaters. Das sommerliche Paar mit Unkraut und Schaufel in der Hand zeigt ihre Eltern, nachdem der Vater wegen seiner antikommunistischen Haltung im Arbeiter- und Bauernstaat Ungarn aus dem Wirtschaftsministerium als Hilfsarbeiter in eine LPG strafversetzt wurde.

So erzählen Reka Benedeks "Geschnitzte Geschichten" (Hirmer Verlag München, 14,90 Euro) über die Streiche, Ängste und lustigen Erlebnisse eines Kindes hinter dem Eisernen Vorhang angenehm beiläufig immer auch Geschichte mit. Die geschilderten Begebenheiten erheben gar nicht erst den Anspruch, große Literatur zu sein. Sie sind schlicht aus dem Leben gegriffen, quasi aus echtem Holz geschnitzt - so wie die Figuren, die den Text in Illustrationen ergänzen. Darunter ist (siehe Foto) auch eine Skulptur vom "kleinen Beamten und seiner Gattin".

© SZ vom 10.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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