Britney Spears:Sie ist ein Mensch

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Die Farben ihrer Kleidung oder Tiermotive in ihren Instagram- und Tiktok-Posts: Um Britney Spears ranken sich aktuelle Verschwörungstheorien.

Von Bernd Graff

Eines der ersten Youtube-Memes ist den Verächtern von Britney Spears gewidmet. Im September 2007 vergoss der damals 20-jährige Chris Crocker Kajal-Sturzbäche, als er den lahmen Auftritt seines Idols bei den Music Awards in Las Vegas in einem aufgewühlten Video mit dem Titel "Leave Britney alone!" verteidigte. Es gipfelte im Aufschrei: "Sie ist ein Mensch!" Crockers herzzerreißender Seelenstriptease war der totale Hammer, nie da gewesen, es veränderte das Internet für immer.

Sowohl um Britney als auch um Crocker ist es seitdem merklich stiller geworden. Von Crocker weiß man, dass er etwas Karriere als Pornodarsteller machte, von Britney, dass sie nach Breakdowns, Sorgerechtsstress und Paparazzi-Skandälchen im Februar 2008 entmündigt und ihr Vater als Vormund eingesetzt wurde. Seither gilt eine der bedeutendsten (und vermögendsten) Ikonen des Teenage-Pop als bemitleidenswert. Sie ist eher Gegenstand nostalgischer Schwärmerei als aktuellen Glamours. Britneys Poster hatte man als Jugendlicher an der Wand, damals im alten Kinderzimmer, noch bei den Eltern.

Trotzdem sind Britney Spears sehr, sehr viele aktive Fans verblieben, die eine Crocker-ähnliche Seelennähe zu ihrem Star verspüren, so nah, dass sie die Vormundschaftssache immer schon für Verschwörung halten: Britney sei geistig fit, sie werde von ruchlosen Nutznießern ihres Vermögens gegen ihren Willen gefangen gehalten. Das wiederum könne man Britneys aktuellen Instagram- und Tiktok-Posts entnehmen, die versteckte Botschaften, codierte Hilferufe an die Fans enthielten. Signalfarben in ihrer Kleidung, die Verwendung bestimmter Tiermotive, ihre Körperbewegungen seien für Eingeweihte nun glasklar zu lesen. Darum gibt es gerade Online-Petitionen, Flashmobs auf den Straßen, Alt-Celebrities wie Paris Hilton posten den Hashtag #FreeBritney, der wiederum von Britneys Mutter "geliked" wurde, was ja nur heißen kann ... Na bitte!

Und so lernt man, wie aus dem Internet der privaten Kopfkissen-Bekenntnisse wie dem des verheulten Chris Crocker ein Netz der Bewegung und des besseren Wissens geworden ist. Von Britney weiß man weiterhin wenig. Auch das ist ein Stück Gesellschaftsgeschichte

© SZ vom 28.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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