Bomben und Yakuzas:Idealismus der Gosse

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Iori Fujiwara: Der Sonnenschirm des Terroristen. Aus dem Japanischen von Katja Busson. Cass-Verlag, Löhne 2017. 19,95 Euro. (Foto: Cass Verlag)

Ein schäbiger Held mit Terroristen-Vergangenheit. Inzwischen braucht Shimamura sein Quantum Alkohol täglich. Und Sonne im Stadtpark. Den "Sonnenschirm des Terroristen" hat Iori Fujiwara geschrieben, um seine gewaltigen Spielschulden wegzukriegen.

Von Maximilian Sippenauer

Als Iori Fujiwara zu seinem ersten Krimi, "Der Sonnenschirm des Terroristen", ansetzte, ging es für ihn selbst um Leben und Tod. Mit umgerechnet 70 000 Euro Spielschulden stand der Autor bei der Yakuza, der japanischen Mafia, in der Kreide. Um diese zu begleichen, musste Fujiwara den höchstdotierten Krimipreis Japans gewinnen. In wenigen Monaten schrieb er also dieses Schicksalsbuch. Ein Buch, das sich retortenhaft der Kniffe des Genres bedient und doch durch die persönliche Dringlichkeit, die es durchwirkt, eine eigentümliche Tiefe entwickelt.

Tokio im Jahr 1993. Der Trinker Shimamura erwartet nichts mehr vom Leben. Abends bedient er in seiner schäbigen Bar, nachmittags sonnt er sich mit einer Flasche im Stadtpark. Er ist ein Mensch, der übersehen wird. Doch als im Park eine Bombe explodiert, gerät Shimamura in den Mittelpunkt verschiedenster Interessen. Die Polizei setzt ihn auf die Fahndungsliste, ein zwielichtiger Ex-Cop macht Andeutungen, Gangster verprügeln ihn auf der Straße.

Als dann die junge Toko auftaucht, deren Mutter Yoku bei dem Anschlag gestorben ist, wittert Shimamura, dass ihn seine eigene Vergangenheit einholt. In Yoku hatte er sich während der Uni-Revolten verliebt, bei denen er zusammen mit seinem Freund Kuwano kämpfte. Eine Beziehung, die so abrupt endete wie die Kämpfe.

Die Spannung von "Der Sonnenschirm des Terroristen" resultiert vor allem aus dem geschickten Spiel mit den Erinnerungen und Traumata der Protagonisten - Erinnerungen, die gleichzeitig die sozialen Konfliktlinien Japans von den Siebzigern bis in die Neunziger nachzeichnen. In Rückschauen berührt Fujiwaro die Studentenproteste und die vergessene Resignation der geschlagenen Idealisten. Und er erzählt vom Japan danach, dessen Wirtschaft es zwar "fett", aber zugleich auch immer prekärer hat werden lassen.

Bei der Zubereitung eines Hotdogs sagt Shimamura einmal, wenn er sich entscheiden müsse, vieles zu tun, was keinen Aufwand erfordere, oder nur eines, das viel Aufwand erfordere, würde er sich immer für Letzteres entscheiden. In solchen leisen Zwischentönen beschwört Fujiwara ein anderes Japan, eines der Würde und Perfektion. Zu finden ist das jedoch nur noch in der Gosse, wo es den saufenden, aber aufrichtigen Shimamura hintreibt. Trotz des Gestanks von Schweiß und Urin trifft er hier nicht auf Abschaum, sondern auf altersarme Professoren und scharfsinnige Überlebenskünstler - mit Hingabe beschreibt Fujiwara die Architektur ihrer Kartonbaracken. Der omnipräsente Alkohol wirkt mit der Zeit wie ein stoisches Gegengift zu der Leistungsdroge Kokain, die gerade ins Land drängt.

Die Übersetzung Katja Bussons ist nicht immer ganz rund, und die dem Japanischen eigene Explizitheit, mit der Gefühlsbewegungen noch einmal in Dialogen breitgewalzt werden, befremdet. Dennoch folgt man dem Alkoholiker Shimamura gerne, wenn er Clou um Clou und Schluck um Schluck den Strippenziehern näher kommt, und darüber einem urjapanischen Odem hinter der eigenen Schnapsfahne.

© SZ vom 28.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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