Biografie:Kritische Queen

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"Not amused" war die englische Königin Victoria über eine vom Hof in Auftrag gegebene Biografie, die jetzt bei Sotheby's versteigert wird. Der königliche Kommentar: "Unsinn". Der Schätzpreis: 20000 Euro.

Von Alexander Menden

Es gehört zum historischen Standardwissen, dass die englische Königin Victoria nicht damit hinterm Berg zu halten pflegte, wenn sie "not amused" war. Welche unangenehmen Folgen das auch für die wohlmeinendsten ihrer Untertanen haben konnte, kann man einem Buch entnehmen, das das Londoner Auktionshaus Sotheby's kommenden Monat versteigern wird. "Queen Victoria from Her Birth to Her Bridal/Victoria von ihrer Geburt bis zu ihrer Hochzeit" ist eine Biografie der Monarchin, die Viktoria persönlich mit mehr als hundert missbilligenden handschriftlichen Anmerkungen versehen an die Autorin Agnes Strickland zurücksandte.

Dabei ist das doppelbändige Werk keineswegs das Ergebnis knallharter, kritischer Recherche. Es war vielmehr eine Auftragsarbeit anlässlich der Vermählung Victorias mit Prinz Albert von Sachsen-Coburg und Gotha, und es fließt nur so über vor Ehrfurcht und Bewunderung. Doch das bewahrte Strickland 1840 nicht vor der übellaunigen Kritik der damals 21-jährigen Königin: "Absurd" notiert sie etwa zu einer Passage, die ihre Tante Prinzessin Sophia Mathilda als "schön wie ein Engel und anmutig wie eine Nymphe, das absolute Ideal einer königlichen Dame" beschreibt.

Immer wieder setzt Victoria Bemerkungen wie "gänzlich falsch", "Unsinn" und "Nicht ein einziges Wort hiervon stimmt" an den Rand. Bisweilen streicht sie auch einfach ganze Absätze kommentarlos durch. Dabei entgehen nicht einmal die kleinsten Details ihrem gnadenlosen Urteil: Die junge Königin habe ihr Haar "in einem sogenannten Griechischen Knoten am Hinterkopf zusammengebunden", heißt es - "In Zöpfen" korrigiert Victoria.

Die Autorin war so tief erschüttert von Victorias Ablehnung, dass sie und ihr Verleger sämtliche unverkauften Bände einstampfen ließen. Noch Jahre später vernichtete Agnes Strickland jedes Exemplar, dessen sie habhaft werden konnte. Die Wut, die das Werk bei seiner Großmutter ausgelöst hatte, war in der Familie Windsor so legendär, dass König George V. noch 1932 die Nachkommen Sticklands kontaktierte und um ein Exemplar bat. Sotheby's Schätzpreis für die annotierte Ausgabe liegt übrigens bei umgerechnet rund 20 000 Euro.

© SZ vom 28.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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