Bilderbuch:Käsefest

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Das dritte Abenteuer der Maus ist eine Reise durch Zeit und Raum, in der sie Einstein trifft und seine Realitätstheorie ihr hilft, noch pünktlich zum Käsefest zu kommen.

Von Fritz Goettler

Die Morgensonne ist ganz ungerührt, wie immer geht sie auch an diesem Morgen auf und taucht die Wohnung in ein warmes Gelb. Experiment gescheitert, muss die Maus in Torben Kuhlmanns neuem Buch - er hat in früheren Büchern bereits erfolgreich den Atlantikflieger Lindbergh, den Mondfahrer Armstrong und den Erfinder Edison in Mauskontexte gestellt - sich eingestehen. Alle Uhren in ihrer Reichweite hatte sie zurückgestellt, Wecker und Armbanduhren und Uhren mit digitalem Ziffernblatt, aber: "Egal wie viele Uhren ich hier zurückdrehe, die Zeit läuft trotzdem immer weiter." Auch der allerletzte, der größte Versuch bringt nichts - wenn sie eine Schraube in die Zahnräder der Turmuhr quetscht. Die Uhr bleibt stehen, die Leute schauen verdutzt, aber die Zeit geht nicht zurück.

Die Maus hat verschlafen, das ist ihr Problem, einen ganzen Tag, deshalb war sie zu spät zum großen Käsefest am 14. Juli in Bern gekommen - Chäsfescht wird diese Veranstaltung in der Schweiz genannt. In der Markthalle hingen noch die Schweizer Flaggen und standen leere Kartons herum, aber der Käse war weg. Wie also holt man die verlorene Zeit zurück?

Da Torben Kuhlmanns Mäuse sehr pragmatisch und cool sind, heißt die Lösung, um doch noch an den Käse zu gelangen: Zeitreise. Und Bern ist genau die richtige Stadt, um eine Zeitmaschine zu konstruieren - immerhin hatte Albert Einstein hier einige Jahre im Patentamt gearbeitet und dabei die ersten Entwürfe seiner berühmten Relativitätstheorie aufgezeichnet. Der Genius Loci inspiriert auch die Maus, in der Dachkammer des Patentamts, wo es viele Ordner gibt, alte Telefone und Computergehäuse. "Zeit ist relativ", der Satz taucht, während die Maus nach dem Studium von Einsteins Buch an ihrer Zeitmaschine bastelt, immer wieder auf, gleichsam aus dem Nirgendwo, und am Ende dieses Zeitreisewirbels kann man nicht eindeutig sagen, wer ihn niedergeschrieben hat, Einstein oder die Maus. Alles relativ.

Torben Kuhlmanns Bilder sind fantastisch, sie reproduzieren Details mit fast fotografischem Effekt. Die feinste Maserung in den Holzstiegen, jeder Blumenkasten an den Häusern von Bern, und jede der Formeln auf den grünen Tafeln möchte man unbedingt prüfen auf ihre Schlüssigkeit. Alle Figuren haben, ob Mäuse oder Menschen, ihren sanften Charme, und die Uhrwerke und Mechaniken ihre eigentümliche Grazie. Und - das ist wirklich ein Relativitätseffekt - auch Einstein war mal jung, nicht nur der graue Wuschelkopf, den man von der berühmten Fotografie kennt.

Torben Kuhlmann: Einstein. Die fantastische Reise einer Maus durch Raum und Zeit. NordSüd Verlag, Zürich 2020. 128 Seiten, 22 Euro.

© SZ vom 09.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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