Bilderbuch:Im Bauch zu Haus

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Auch für Erwachsene: Wie Wolf, Ente und Maus eine äußerst absonderliche, tierische Wohngemeinschaft bilden und auf sehr schräge Weise zusammengehören.

Von Ulrike Schultheis

Als der kanadisch-amerikanische Autor und Illustrator Jon Klassen 2013 für sein erstes Bilderbuch, das er sowohl geschrieben als auch gezeichnet hatte, den Deutschen Jugendliteraturpreis erhielt, bewunderte man ihn für seinen schwarzen Humor, seine Hintergründigkeit und das geniale Wechselspiel von Wort und Bild. Das zeichnet auch sein neuestes Bilderbuch aus, obwohl der Text diesmal nicht von ihm, sondern von dem amerikanischen Alleskönner der Kinderliteratur, Mac Barnett, verfasst wurde. Wir kennen ihn als Autor des cool-fetzigen Kultbuches "Niles und Miles" und auch des nachdenklich fantasievollen Bilderbuchs "Sam und Dave graben ein Loch".

Barnetts Spaß am philosophischen Gedankenspiel, am schrägen "Um-die-Ecke-Denken" und seine Freude an kleinen Boshaftigkeiten passt genial zum Stil von Jon Klassen. So ist "Der Wolf, die Ente & die Maus" entstanden, ein witziges, bissiges Bilderbuch, dessen Ironie sich allerdings eher Erwachsenen als Kindern erschließt: Ein Wolf verschlingt eine Maus mit einem Happs. Verwundert trifft diese in seinem Bauch auf eine Ente. Die hat es sich schon mit Bett, Tisch und Stühlen bei Kerzenlicht gemütlich gemacht und versucht nun, der Maus die Vorzüge ihres hiesigen Lebens zu erklären. Gut, der Bauch könnte ein, zwei Fenster haben, um Licht hereinzulassen, aber ansonsten ist es hier warm, gemütlich und sicher. Denn, sagt die Ente, "als ich draußen war, hatte ich jeden Tag Angst, ein Wolf könnte mich verschlingen. Hier drin gibt es solche Sorgen nicht." Das überzeugt auch die Maus. Mit einem Fest wird ihr Einzug gefeiert. Das Gehopse wiederum schlägt dem Wolf heftig auf den Magen. Heulend klagt er sein Leid und macht damit den Jäger mit seinem Gewehr auf sich aufmerksam. Glücklicherweise verfehlt der erste Schuss den Wolf, aber gerettet ist er noch nicht. Da greifen Maus und Ente ein. "Wir müssen kämpfen. Verteidigen wir unser Zuhause!" Der Wolf spuckt sie aus, der Jäger glaubt, böse Geister zu sehen und rennt davon. Höflich bedankt sich der Wolf und stellt seinen Rettern einen Wunsch frei. "Tja, du hast wohl erraten, was sie sich gewünscht haben!" Der lakonisch knappe Text verblüfft immer wieder mit überraschenden Wendungen, die Bilder von Jon Klassen wirken in ihren düsteren Farben manchmal bedrohlich, dann wieder sehr komisch. Besonders die Augen des Wolfes, die bei der Seitenansicht hintereinander gezeichnet sind, verfehlen ihre beunruhigende Wirkung nicht. Augen sind bei Klassen immer wieder ein wichtiges Medium für seine Ausdrucksweise. Aber wo liegt nun die tiefere Bedeutung dieses ungewöhnlichen, faszinierenden Bilderbuchs? Vermutlich nirgends, hier haben zwei geniale Künstler einfach Spaß am schwarzen Humor und an hintergründigem Witz. Und ihre Leserinnen und Leser auch! (ab 6 Jahre und für Erwachsene)

Mac Barnett : Der Wolf, die Ente & die Maus. Illustrationen von Jon Klassen. Aus dem Englischen von Thomas Bodmer. NordSüd, Zürich 2018. 38 Seiten, 15 Euro.

© SZ vom 18.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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