Bilderbuch:Ahoi weißer Hase

Lesezeit: 2 min

Illustration aus Peter Sís: Robinson. (Foto: Gerstenberg)

Peter Sís schickt einen Jungen auf einen fantastischen Robinson-Trip auf eine einsame Insel.

Von Hassân Almohtasib

Was nimmt man auf eine einsame Insel mit? Einen lieben Menschen, ein Buch oder doch Proviant? Der Junge mit dem Namen Peter hockt in einem ultramarinen Boot. Sein Segel ist ein aufgeschlagenes Buch, das eine Insel kartiert. An seiner Seite sitzt ein weißer Hase. Seit "Alice im Wunderland" stimmt uns kaum ein Gefährte auf ein Abenteuer so ein, wie er. Statt "Down the rabbit hole" zu rufen, lächelt Peter der großen Welle zu und denkt sich ein "Ahoi!".

Wir begleiten Peter jedoch anfangs nicht an einem Strand sondern an einem Schulalltag und freuen uns mit ihm auf ein Kostümfest, das die ganze Schule beschäftigt. Peter geht auf dieses Fest als "Robinson Crusoe" verkleidet. Die handwerklich begabte Mutter verhilft dem Jungen zu einer gelungenen Verwandlung. Die Freude der zwei über ihr gemeinsames Werk ist groß. Im Spiegel sieht er einen bärtigen wilden mit Fell überzogenen Bogenschützen, der zurücklächelt. Am Tag des Festes bleibt von dieser Freude kam etwas übrig. Denn die Mitschüler belächeln das "Robinson"- Kostüm und machen sich über ihn lustig. Unter Tränen läuft Peter nach Hause und geht gleich ins Bett. Mama sieht zu, wie er vor Erschöpfung einschläft.

Wie bei Marcel Proust die Rauheit einer steifen Serviette in einem Speisesaal den Protagonisten an ein raues Tuch im Strandurlaub erinnert, versetzen die Tränen den kleinen Helden Peter in ein Boot auf einer salzigen Meereswelle. Peter Sís vollzieht visuell meisterlich den Transfer im Traum des kleinen Peters. Alles bewegt sich zwischen hell und dunkel, von Innen nach Außen oder vom Realen zum Traumhaften. Objekte verformen sich. Grenzen verschieben sich. Sís greift tief in seine künstlerische Trickkiste hinein mit Farben, Formen und Verdichtung oder Dehnung von Ereignissen.

Der Leser merkt bald, dass es sich um autobiografische Erinnerungen handelt. Es geht weit über die Wahl des Namens des Protagonisten und auch noch weit über die Kindheit des Autors und Zeichners hinaus. Es geht um die Schwierigkeiten der Migration, die das Leben des jungen Tschechen bestimmten. Geboren 1949 in Brünn, besuchte Sís 1968 die Kunstakademie in Prag, machte Musik und engagierte sich im Prager Frühling. Später studierte er am Royal College of Art in London und emigrierte 1984 in die USA, wo er heute noch lebt.

Auf der Insel gelandet, kommt der kleine Peter zu sich selbst. Er besteigt Hügel, fischt in Bächen, trinkt aus Brunnen und läuft durch dunkle und ihm fremde Wälder. Er baut sich ein Baumhaus, sammelt Kürbisse, pflanzt Salat an, und feiert abends ein Festessen in der Gesellschaft von Tieren. Diese fremde Insel wird doch zur Heimat. In einer Regenpfütze entdeckt er sein Gesicht und sieht darin wieder ein Lächeln. Doch bald droht ihm Gefahr durch Piraten, deren Spuren er auf dem Sand entdeckt. Heimlich verfolgt er die gefährlichen Eindringliche. Wild, beängstigend und dunkel umrissen stehen sie ihm gegenüber.

Doch am Tag im hellen Licht treten seine Mitschüler ins Schlafzimmer, sie lächeln und freuen sich, diesmal alle als Robinson Crusoe verkleidet. Wenn der Held sich weigert zu sterben, muss er sich verwandeln oder eben verkleiden und weitermachen.

Peter Sís : Robinson. Aus dem Englischen von Brigitte Jakobeit. Gerstenberg Verlag, Hildesheim 2019. 48 Seiten, 16,95 Euro.

© SZ vom 05.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: