Besuch bei Wolf Erlbruch:Die Verlegerin übt schon den Hofknicks

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Der Bilderbuchkünstler wird am Montag in Stockholm von Kronprinzessin Victoria mit dem Astrid-Lindgren-Gedächtnis-Preis ausgezeichnet.

Von Roswitha Budeus-Budde

Wenn ich Licht brauche, dann fange ich morgens früh schon an zu arbeiten, sonst erst immer so gegen sechs Uhr nachmittags." Der Illustrator und Bilderbuchmacher Wolf Erlbruch steht im Atelier seines großen Stadthauses mitten in Wuppertal. Um ihn herum die Arbeitstische und die Materialen, die er verwendet für seine Illustrationen, für diese spezielle Mischung aus Collagentechnik und Aquarell. Noch heute ist er verwundert über die unglaubliche öffentliche Reaktion auf sein Bilderbuch "Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hatte" - erschienen 1989 mit den Texten von Werner Holzwarth. Denn der Erfolg damals machte aus dem hochdotierten und international ausgezeichneten Werbefachmann den Bilderbuchkünstler und Professor für Grafik-Design, dessen großes Œuvre sich durch eine besondere Bildsprache auszeichnet. Er zerschneidet Holzstiche aus dem 17. Jahrhundert und montiert sie in seine Bilder. Für ihn entwickelt sich daraus eine besondere Ästhetik, denn dieses Papier hat schon gelebt. Das fordert natürlich auch besondere Bilderbuchtexte: "Aus meiner Vergangenheit als Kind und meiner eigenen Lebenszeit kann ich eine Menge dazu einbringen. Es ist ein Spiel, das dazu verführen soll, dass man erkennt, was hinter den Dingen, Bildern und Geschichten noch steckt."

"Wenn ich Licht brauche, dann fange ich morgens früh schon an zu arbeiten ...

So finden sich auch immer wieder biografische und autobiografische Zitate in seinem Werk. Wie im Bilderbuch "Die Fürchterlichen Fünf", in dem die Hyäne Saxofon spielt und damit den trüben Haufen hässlicher Tiere aufmischt. Erlbruch besitzt es noch, dieses Saxofon, das er vor langer Zeit in New York auf dem Flohmarkt kaufte, auch kurz spielte. Inzwischen fehlen ihm wichtige Teile. Er könnte sie sich jetzt besorgen, auch wenn sie teuer sind, das Geld hätte er nun, sogar für ein neues Instrument. Denn auf der Internationalen Kinderbuchmesse in Bologna wurde ihm der Astrid-Lindgren-Gedächtnis-Preis zugesprochen. Als erster deutscher Preisträger wird er nun gefeiert, von den Medien und der Kinderliteraturszene, die Öffentlichkeit hat ihn entdeckt. Stifter dieses internationalen Kinderbuchpreises ist die schwedische Regierung, die ihn 2003 auslobte, weil Astrid Lindgren zur Enttäuschung der Schweden nie den Nobelpreis bekommen hatte. Er ist mit einer Million schwedische Kronen dotierte. Für Erlbruch war der Tag vor der Preisverkündung fast eine magische Erfahrung: "Ich hatte einen Traum in der Nacht, dass ich diesen Preis bekommen würde. Als ich dann am Morgen zu Fuß durch die Stadt ging, kam mir ein Junge auf dem Fahrrad entgegen, blieb kurz stehen und sagte zu mir: ,vielen Dank für Ihre Kinderbücher'. Da dachte ich, das ist doch ein Zeichen. Und eine Stunde später rief die Jury aus Stockholm an."

Illustration aus Wolf Erlbruch: Die Fürchterlichen Fünf (Foto: Verlag)

Die Reise nach Schweden beunruhigt ihn noch etwas, denn er muss selbst den Preis aus der Hand der schwedischen Kronprinzessin entgegennehmen, und das bereitet ihm, der ausgesprochen öffentlichkeitsscheu ist und große Reden fürchtet, schon ziemliches Kopfzerbrechen. "Meine Verlegerin übt schon den Hofknicks", meint er ein bisschen schadenfroh, und amüsiert sich. "Es sind ja nur drei Minuten, die du reden musst", beruhigt ihn seine Frau. Natürlich wird er auch sie loben, obwohl sie ihm immer verboten hat, ihr Bücher zu widmen. Bis sie nämlich fertig sind, ist es für sie ein großer Stress. "Es gibt schon Momente beim Arbeiten, wo ich stocke", sagt er, "und dann ist sie wunderbar, sie sieht, wo es hakt, es gibt niemanden, der das besser kann." Ihre wichtigste Aufgabe scheint aber zu sein, ihn daran zu hindern, zu viel von seinen Arbeiten einfach wegzuwerfen, "ich hänge an nichts."

Manche Bücher illustriert er komplett neu. "Ich bin immer skeptisch. Ich bin ein freundlicher Skeptiker auch gegen mich selbst. Ich mach' mich zwar nicht fertig, aber ich weiß schon, dass ich nicht der Größte bin. Es gibt so viele Sachen auf der Welt, die wahnsinnig gut sind." Es entstand zum Beispiel eine neue Fassung von "Die große Frage", der philosophisch-heiteren Auseinandersetzung um den Sinn des Lebens, wenn ein Kind von seiner Umgebung wissen will, warum es eigentlich auf der Welt ist. Diese Frage, an Erlbruch selbst gestellt, löst Gelächter aus, er schaut seine Frau an und meint, "um dich zu ärgern", und danach wieder ernsthaft "um auf andere Menschen zuzugehen".

... sonst erst immer so gegen sechs Uhr nachmittags."

Bald kommt bei der Diskussion über Bücher, über Erfolg, der auch ausbleiben kann, über Titel, die Erlbruch sehr am Herzen liegen, auch das Gespräch auf Astrid Lindgren. "Sie war eine besondere Frau und ist durch Höhen und Tiefen gegangen", meint er. Lindgrens Geschichten erzählen von einer vergangenen Kindheit, aber auch bei Wolf Erlbruch ist eine Spur von der großen Schwedin zu entdecken. In "Die fürchterlichen Fünf" tröstet die Hyäne ihre verzagten Freunde: "Wir haben Musik, wir haben Pfannkuchen und wir haben uns selbst", das könnten auch Worte von Pippi Langstrumpf sein.

Am Mittwoch, 31. Mai, findet in der Internationalen Jugendbibliothek in München eine öffentliche Festveranstaltung zum Astrid-Lindgren-Gedächtnis-Preis mit Wolf Erlbruch statt.

© SZ vom 26.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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