Berliner Sammler:Ruf doch mal an!

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Die Kunstsammlerin Julia Stoschek im Zentrum für Kunst und Medientechnologie (ZKM) in Karlsruhe. (Foto: Uli Deck/dpa)

Hauptstadtspezifische Un­klar­heiten: Private Kunst­sammler zeigen sich ent­täuscht von der Politik, nun auch Julia Stoschek.

Von Peter Richter

Die "Julia Stoschek Collection" hat mit einer Erklärung auf Berichte reagiert, wonach sich die Sammlerin aus Berlin zurückziehen wolle: "Überlegungen in diese Richtung" gebe es. Allerdings wolle man noch einige entscheidende Gespräche führen. Da diese Berichte ihrerseits auf Äußerungen von Stoschek beruhten, könnte man sie auch als eine mit maximaler Verzweiflung vorgetragene Bitte um Rückruf betrachten. Nur an wen eigentlich? Wenn man dazu nun selbst dieser Tage mit Stoschek telefoniert, zeigt sich, dass diese Unklarheit berlinspezifisch und wesentlich Teil des Problems ist.

Stoschek, die aus einer Industriellenfamilie stammt, hatte sich von Anfang an auf sogenannte Medienkunst spezialisiert, namentlich Videos. Das hatte erstens zur Folge, dass ihre Sammlung heute eine der bedeutendsten auf diesem Gebiet ist. Zweitens ist sie ortsunabhängiger als etwa eine Kollektion von Bildhauerarbeiten. Neben dem Hauptquartier in Düsseldorf gibt es deshalb seit vier Jahren auch einen Standort in Berlin.

Dessen Räume im ehemaligen tschechoslowakischen Kulturzentrum der DDR mussten von ihr für fast eine Million Euro brandschutzgerecht renoviert werden. Trotzdem wollte der Bund, dem der Bau gehört, bisher monatlich 20 000 Euro Miete. Der Vertrag läuft aus, und nach einer anstehenden Sanierung steht eine Erhöhung ins Haus. Ihr schwebe dagegen eher Mietfreiheit vor dafür, dass sie für 1,5 Millionen Euro an Privatmitteln pro Jahr einen der wenigen Ausstellungsorte von Gegenwartskunst in Berlin betreibt, dem man tatsächlich auch international noch Strahlkraft und Relevanz bescheinigen könnte. Außerdem lockten Kulturpolitiker anderer Orte, die Stoschek allerdings noch nicht offenbaren mag, mit mehr Wertschätzung.

Sie hätte also gern, dass die Bundeskulturministerin sich meldet oder der Finanzminister als Vermieter oder Berlins Kultursenator oder alle zusammen. Zuständigkeitswirren und fehlende Wertschätzung sind das gemeinsame Leitmotiv in den Klagen von Sammlern, die zuletzt gleich reihenweise angekündigt haben, nicht mehr in Berlin zeigen zu wollen. Furcht vor Gentrifizierung durch den Kunstbetrieb ist dafür eins in den Kommentarspalten der Lokalpresse und in Teilen der Politik. Stoschek hält es daher für möglich, dass sich auch nach ihrer lauten Drohung niemand aus der Politik bei ihr meldet. Dafür bekomme sie seitdem "Panikanrufe" von Galeristen und Künstlern, die für ihre Arbeit zwar bezahlbare Räume brauchen, aber eben auch ein bestimmtes kulturelles Umfeld.

Zwei Jahre hat Stoschek noch in Berlin. Dann wird man immerhin sehen, ob nicht der Leerstand von Gewerbeimmobilien infolge von Corona manche Dinge von allein geregelt haben wird.

© SZ vom 13.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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