Berliner Palast:Der Lampenladen brummt

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Palaste & Elaste: Die sogenannte "Zwischennutzung" hat nicht nur den Palast der Republik, nein, sie hat ganz Berlin vitalisiert - in einer Weise, von der die geplante Schloss-Attrappe nur träumen kann.

GERHARD MATZIG

"Sterben", sagt man sich derzeit im Berliner Volkspalast, der früher einmal als Palast der Republik und noch früher als Stadtschloss bekannt war, "Sterben ist auch eine Kunst."

Es ist also das Auge des Betrachters, in dem aus einem Stern die Helligkeit einer Galaxie erstrahlen kann. (Foto: Foto: dpa)

Wohl wahr - und sei es auch nur die Kunst der Inszenierung: Am 09.11.2004, es ist der 82. Tag der höchst erstaunlichen, höchst erfolgreichen "Zwischennutzung", soll der Palast der Republik feierlich und symbolisch verglühen.

Die Licht- und Klanginstallation, die dem seit Jahren herrlich - und wie sich nun zeigt: produktiv - umstrittenen Kubus am Schlossplatz von 23 Uhr bis Mitternacht als Sterbehilfe zur asbestbereinigten Seite stehen soll, heißt "Supernova". Zu Recht. Denn als Supernova ist das schnell eintretende, helle Aufleuchten eines Sterns bekannt, der dabei millionen-, ja milliardenfach heller wird.

Es ist also das Auge des Betrachters, in dem aus einem Stern die Helligkeit einer Galaxie erstrahlen kann.

Und wenn es auch keine ganze Galaxie sein mag, die uns in den vergangenen drei Monaten aus der Mitte Berlins erwachsen ist, so ist es doch zumindest ein neuer Ort: ein sehr vitaler und sehr kommunikativer Ort.

Wobei sich nun die Frage stellt, ob dieses Novum tatsächlich verglühen, also spätestens bis zum Jahr 2006 abgerissen werden soll. So lautet, noch immer, der entsprechende Bundestagsbeschluss, dessen Ignoranz auch das Nichtwissen, wer denn die spätere Rekonstruktion des Stadtschlosses bezahlen solle, umfasst.

Immerhin: Berlin wird wohl bemerkt haben, welche gewaltigen urbanen Kräfte sogar das kalte Gerippe der Palastruine zu bündeln wusste. Beinahe 90 Veranstaltungen - Konzerte, Ausstellungen, Festivals oder Symposien - haben an die 50000 Besucher mit einer bislang eher unbekannten Mitte bekannt gemacht.

Es könnte sich dabei durchaus um ein neues Zentrum der Urbanität handeln: um eine Art transformatorischen Zwischenraum, der sich einer schlosstapetenhaften Endgültigkeit mit enormen Kräften verweigert. Das voluminöse Stahl-, Glas- und Betonskelett des Palastes, befreit vom einstigen Funktionärsbarock, hat sich mittlerweile unübersehbar zu einer offenen Bühne der Stadt entwickelt, deren identitätsstiftendes Potenzial ungleich höher sein dürfte - als jenes der geplanten Schlosskulisse.

Mit lediglich geringem Architektur-Aufwand könnte Berlin also schon jetzt genau das bekommen, was das unausgegorene Schlosskonzept als museales "Humboldt-Forum" höchstens ersehnen kann: eine Neuinterpretation des Schlossplatzes, ein Stück lebendige Stadt. Das wäre ein kraftvoll suggestiver Ort, der nicht allein den Berlin-Touristen und somit der Illumination einer fiktiven Vergangenheit gehören würde - sondern der Stadt Berlin und einer realen Gegenwart.

© SZ v. 09.11.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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