Berliner Musikfest:George Benjamin auf dem Musikfest

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(Foto: picture alliance / dpa)

Von WOLFGANG SCHREIBER

"Auf Berlin gemünzt unsexy" gehe es in derzeit den Konzerthäusern zu, so Winrich Hopp, künstlerischer Leiter des Musikfests Berlin. Er hält dagegen: "Das Feuer der Künstler wird das alles vergessen machen." Hoffentlich! Schauplatz Berliner Philharmonie, über 2000 Sitzplätze: Statt der 456 bisher erlaubten sitzen dort heute 636 Zuhörer. Für die macht Hopp aus dem Festival beherzt ein vierwöchiges "Statement für die Gegenwartsmusik". Einschließlich der Klassiker. Mag dort Igor Levit 32 Sonaten lang mit Beethoven ringen und den Dirigenten Kirill Petrenko, Daniel Barenboim oder Vladimir Jurowski alles große Symphonische nahe sein - im Brennpunkt des Musikfests steht die ingeniöse britische Komponistin Rebecca Saunders, Wahl-Berlinerin, Münchner Siemens-Musikpreisträgerin im Vorjahr. Das Frankfurter "Ensemble Modern" dirigiert Sir George Benjamin. Die erste und beste deutsche Avantgarde-Kammertruppe, seit 40 Jahren im Rennen, erlangt mit ihrem Konzert besondere Schwerkraft, denn dem Musikfest brachen wegen Corona die großformatigen Gastspiele weg, nur die Berliner Klangkörper dürfen spielen. Benjamin, Jahrgang 1960, Englands wichtigster Komponist seiner Generation, hat sein 1982 entstandenes Frühmeisterstück "At First Light" ausgewählt, inspiriert hat ihn dazu William Turners spätes Gemälde "Norham Castle, Sunrise" - Farbe und Ferne zerfließen im Licht. Mit souveräner Hand und Hörfähigkeit steuert er die volatile Gemengelage der Klangfarben und Zeitmaße, lyrische Impressionen, Transformationen blenden. Welche Feuerstürme die Musiker des Ensemble Modern spielend verkraften, zeigen sie bei Wolfgang Rihms Wunderwerk "Jagden und Formen", in der Version von 2008. Eine Stunde Tanz, tief im Vulkan polyphoner Klangeruptionen, den Sasha Waltz mit ihrer Kompanie damals in Bewegung brachte. Selbst Benjamins kühle Akribie am Pult gerät in den Sog eines Klangmonsters, wo Klavier, Tuba, doppeltes Blech und drei Percussionisten schärfste Schlagkraft erzeugen. Strawinskys Sacre-Dämonie scheint nahe. Atemlosigkeit in der Corona-strukturierten Berliner Philharmonie.

© SZ vom 05.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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