Berlinale: "Filth and Wisdom":Like a Virgin

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Madonna und das Kino - eine große, bittere Liebesgeschichte. Jetzt feiert sie auf der Berlinale ihr Regiedebüt: mit blinden Dichtern, ambitionierten Stripperinnen und einem Borat-Duplikat.

Tobias Kniebe

Madonna und das Kino, das muss man sich als eine große, bittere Liebesgeschichte vorstellen. Was mit "Susan... verzweifelt gesucht" noch jugendlich unbeschwert begann, wuchs sich bald zum schmerzensreichen Drama aus ("Evita") und endete vorerst in einem bösen Scheidungskrieg ("Swept Away").

Jugendlich unbweschwert: Madonna neben Borat-Verschnitt Eugene Hutz. (Foto: Foto: ddp)

Der Popstar und die Leinwand, die Mutter der Kontrolle und das Medium der großen Selbstvergessenheit, sie konnten zusammen nicht kommen, sie taten einander nur weh. Und so war die Ankündigung der Berlinale, dass im Panorama auch eine Jungregisseurin namens Madonna Ciccone geladen sei, die in aller Bescheidenheit ihr Filmdebüt namens "Filth and Wisdom" vorstellen werde, dann doch eine Überraschung.

Überraschend ist auch das reichhaltige Personal des Films, dem man sich bald gegenübersieht: Da ist ein russischer Lebenskünstler, der gern Rockstar wäre, ein blinder Dichter, der nicht mehr schreiben kann, eine schüchterne Stripperin mit klassischer Ballettausbildung und ein verliebter Inder - um nur einen Teil des chaotischen Ensembles vorzustellen. Sado-Maso-Spiele sind dabei genauso wichtig wie die Klänge des Gypsy Punk, und eine spontane BritneySpears-Parodie kann unvermittelt auf eine Erkenntnis aus der Tiefe der russischen Seele prallen.

"Schmutz und Weisheit sind nur zwei Seiten derselben Medaille", heißt es da zum Beispiel, und damit wäre auch der philosophische Gehalt des Films erschöpfend beschrieben. Denn wer die Gosse nicht kennt, kann auch das Licht und die Schönheit nicht sehen - lehren sie das im Kabbalah Center? Madonna jedenfalls scheint es für eine Erkenntnis zu halten, auf die das Kino nicht länger warten konnte.

Als Schauspielerin ist sie wohlweislich nicht präsent, aber spürt man sie trotzdem in diesen Bildern? Die überraschende Antwort ist: überhaupt nicht. "Filth and Wisdom" ist ganz sicher kein großer Film, und den Hauptdarsteller Eugene Hütz, der von russisch-ukrainischen Roma abstammt, einen furchterregenden Schnauzbart trägt und exakt wie Borat spricht, muss man definitiv als gewöhnungsbedürftig bezeichnen. Aber er bringt, als Sänger der realen Gypsy Punkband Gogol Bordello, auch eine absurde Energie und eine ansteckende Lässigkeit in den Film, gegen die kein Kraut gewachsen ist.

Die Regisseurin Madonna jedenfalls kontrolliert hier gar nichts, sie ergibt sich dem Lauf der Dinge, und im Zuge dieser fröhlichen Anarchie löst sich die Unterscheidung zwischen originellen Einfällen und furchtbaren Klischees, zwischen drolliger Albernheit und bösem Overacting zunehmend auf. Verbuchen wir es also als angenehme Überraschung, dass die Vokabeln angestrengt, gutgemeint, ambitioniert und perfektionistisch hier mal fehlen dürfen. Jugendlich unbeschwert, das passt schon eher. Diese Frau filmt, nun ja - like a virgin.

© SZ vom 14.2.2008/kur - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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