Berlinale Auftakt:Eine Stadt wird zum Kino

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Mit vielen bekannten Schauspielern und zahlreichen Filmen lockt Berlin die Cineasten aus aller Welt.

Susan Vahabzadeh

Bei einem großen Festival reicht die Menge der Filme aus, um eine Art Paralleluniversum auf den Leinwänden entstehen zu lassen. Insgesamt werden auf der Berlinale 396 Filme zu sehen sein, 650 weitere werden auf dem Filmmarkt gezeigt, der das Festival begleitet. Kino von jedem Erdteil und aus fast jedem Land - eine filmische Weltreise sozusagen ...

Keine Chance im Popcorn-Kino: "Invisible Waves" aus Thailand. (Foto: Foto: Berlinale)

Es gibt auf der Berlinale Filme, die wenig Chancen haben, in normalen Kinos gezeigt zu werden - beispielsweise "Invisible Waves" aus Thailand oder "Offside" von Jafar Panahi aus Iran.

Mehr Aufsehen erregen werden die großen Stars und natürlich die Filme, die sich bald jeder wird ansehen können: Sigourney Weaver im Eröffnungsfilm "Snow Cake"; oder George Clooney, der eigentlich nur Nebendarsteller ist, im CIA-Film "Syriana".

Typisch Berlinale: Politische Schwerpunkte

Auch ein paar Altmeister werden sich dem Wettbewerb stellen. Robert Altman etwa zeigt "A Prairie Home Companion", eine Produktion über eine Radio-Show, mit einem Superaufgebot - Meryl Streep, Woody Harrelson, Kevin Kline. Sidney Lumet präsentiert "Find Me Guilty" mit Vin Diesel. Und Claude Chabrol "Geheime Staatsaffären" mit Isabelle Huppert.

Es soll politische Schwerpunkte geben in diesem Wettbewerb. Dafür wird beispielsweise der Brite Michael Winterbottom sorgen mit "The Road to Guantanamo". Darin erzählt er die Geschichte eines in England lebenden Pakistanis, der auf Umwegen nach Afghanistan kommt, um bei einer Hilfsaktion mitzumachen, just während des amerikanischen Angriffs 2001 - und schließlich im Gefangenenlager Guantanamo landet.

Im Vordergrund stehen die 19 Wettbewerbsfilme, was zum einen daran liegt, dass sie mit großem Staraufgebot auf dem roten Teppich im Berlinale-Palast präsentiert werden; und zum anderen daran, dass es schon ein Verdienst ist, zu dieser Konkurrenz zugelassen zu werden, auch wenn man am Ende nicht den Goldenen Bären gewinnt.

Die Qualifikation für die Fußball-Weltmeisterschaft kann man aus eigener Kraft schaffen, die für den Wettbewerb eines der großen Festivals - Berlin, Cannes, Venedig - leider nicht. Weswegen Cineasten über die Auswahl noch erbitterter streiten als Fußballfans.

Auch vier deutsche Filme nehmen teil, Hans-Christian Schmids "Requiem", Oskar Roehlers "Elementarteilchen", "Der freie Wille" von Matthias Glasner und Valeska Griesebachs "Sehnsucht" - Dominik Grafs DDR-Jugendstory "Der rote Kakadu" aber ist im Panorama gelandet, der wichtigsten Nebensektion, das Gleiche gilt für den komplizierten Todesalbtraum "Stay" von Marc Forster ("Monster's Ball") mit Ewan McGregor.

Die Übergänge zwischen Panorama und Wettbewerb sind fließend. Auch die Nebenreihe soll das Spannungsfeld zeigen zwischen arrivierten Filmemachern und dem Regie-Nachwuchs und sichtbar machen, wo es hingeht im so genannten Weltkino - mit ein bisschen mehr Mut zum Risiko, Kino für die wahren Cineasten also.

Im Panorama wird am Wochenende beispielsweise "Hamburger Lektionen" von Romuald Karmakar gezeigt - er lässt Manfred Zapatka zwei Stunden lang nachsprechen, was jener Imam gepredigt hat, den drei der Attentäter vom 11. September in Hamburg aufsuchten.

Die ganze Stadt wird zum Kino

Noch mehr Experimentierfreude ist im Internationalen Forum des jungen Films gefragt, aber auch dort sind die Filmemacher nicht immer wirklich jung. Dieses Jahr ist Chantal Akerman, die seit Ende der sechziger Jahre Filme dreht, mit ihrem neuen, in Tel Aviv gedrehten Film "Là bas" vertreten. Das Forum ist sozusagen das Labor fürs Mainstreamkino der Zukunft.

Der Gegenpol ist die Retrospektive, der Hort der Filmgeschichte. Um Traumfrauen geht es in diesem Jahr. Zwanzig Stars der fünfziger Jahre hat sich der scheidende Filmmuseums-Chef Hans Helmut Prinzler ausgesucht für seine letzte Berlinale-Retro, von Ava Gardner in "Die barfüßige Gräfin" bis zu Lana Turner in "Solange es Menschen gibt".

Die Retrospektive ist aber nicht der einzige Ort auf der Berlinale, an dem die Filmgeschichte sichtbar ist. Es wird auch einige Produktionen zum zwanzigsten Geburtstag des schwul-lesbischen Filmpreises Teddy geben, mit Derek Jarmans "Wittgenstein" und François Ozons Fassbinder-Verfilmung "Tropfen auf heiße Steine".

Eigentlich wird die ganze Stadt zum Kino - die französische Botschaft zeigt beispielsweise Filme rund ums Essen, auch Ang Lees "Eat Drink Man Woman". Dessen Film "Brokeback Mountain" ist der Oscar-Favorit in diesem Jahr - begonnen hatte seine Karriere mit "The Wedding Banquet", 1993 , als er den Goldenen Bären gewann.

© SZ vom 09.02.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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