Berlin:Ohne Regung

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Neil MacGregor hält die "Queens Lecture" - im Beisein der Queen: Eine Grußadresse, die Großbritannien vorstellte und die Queen vorkommen ließ.

Von Lothar Müller

Die Technische Universität, an deren Fassade an diesem Mittwoch ein großes Porträt der Queen hängt, gehörte in der Viermächte-Stadt Berlin zum Britischen Sektor. Die "Queens Lecture", die Elizabeth II. bei ihrem Staatsbesuch 1965 der Stadt schenkte und an dieser Universität ansiedelte, sollte durch alljährliche Vorlesungen britischer Wissenschaftler vor deutschem Publikum die europäische Zusammenarbeit fördern.

Die Ansprache zum Jubiläum beim aktuellen Queen-Besuch hielt Neil MacGregor, der langjährige Chef des Britischen Museums und künftige Vorsitzende der Gründungsintendanz des Humboldt-Forums.

In der ersten Reihe saßen neben dem Bundespräsidenten als Gastgeber und dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller nicht nur die Queen und ihr Gatte, Prinz Philip, sondern auch Bundeskanzlerin Angela Merkel. Anfang des Jahres hat sie die von MacGregor im Britischen Museum ausgerichtete Ausstellung "Germany - Memories of a Nation" besucht. Seine Kunst, Geschichte aus Objekten heraus zu erzählen, demonstrierte er dort im Blick auf 200 Exponate, von der Gutenberg-Bibel über ein Meißener Porzellan-Rhinozeros bis zum "Schwebenden" Ernst Barlachs. Im Audimax der TU projizierte er zu Beginn den Fluchtpunkt seiner Londoner Ausstellung, den von Norman Foster neugestalteten Reichstag mit der Kuppel, als Projekt deutsch-britischer Zusammenarbeit in der Nachkriegszeit. Und als Gegenüber die jährliche Thronrede der Königin, als Element britischer Kontinuität.

Die Queen konnte aus der ersten Reihe sich selbst zusehen. Auch den Aufregungen im House of Commons. Aber nicht den harten Konflikten zwischen Krone und Parlament in der Frühen Neuzeit. Damit war der Ton einer verbindlichen Grußadresse gesetzt, die den Deutschen Großbritannien vorstellte und mit leichter Hand immer wieder die Queen in die Erzählung hineinkomplimentierte. Zum Beispiel in ihren Wohnsitz zur Zeit seiner Entstehung im Jahr 1761, mit George III. und seiner Gemahlin Charlotte. In die Welt von Queen Victoria und ihrem Gatten Albert, die sich in den Hundebildern von Sir Edwin Henry Landseer spiegelte, durch die im freundlichen Licht der "Einheit von botanischer Brillanz und politischer Freiheit" daliegenden englischen Parks, die der Fürst Pückler-Muskau besuchte, bis hin zum beliebtesten Botschafter Englands bei den Deutschen, James Bond, den Ian Fleming 1953 pünktlich zur Thronbesteigung der Queen mit dem ersten 007-Roman "Casino Royale" in die Welt setzte. Der Bond-Clip zur Olympia-Eröffnung 2012 mit Daniel Craig und leibhaftiger Queen war - in ganzer Länge zitiert - das letzte Objekt.

Als Ursprungsland der Tierschutzbewegung und ökologische Arche (das Saatgut-Projekt in Kew Gardens) erschien Großbritannien. Die insulare Seemacht und ihr untergegangenes Weltreich gab es so wenig wie das de-industrialisierte Mutterland der Industriellen Revolution oder den Finanzdistrikt. Die Queen betrachtete dieses Grußadressen-England ohne erkennbare Regung.

© SZ vom 25.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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