Axel-Springer-Biografie:Springers Leben unenträtselt

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In Berlin ist eine neue Biografie über Verleger Axel Springer vorgestellt worden. Der Verfasser Hans-Peter Schwarz hat das Privat- und Hausarchiv des Blattmachers einsehen können - die Mythen um Springers Leben halten sich dennoch hartnäckig.

Willi Winkler

Neben einem Narren hielten sich die großen Machthaber nicht selten auch einen Schreiber, der die res gestae festhielt und das Herrscherlob so laut singen sollte, dass auch noch späteren Generationen Kunde von jenen großen Taten wurde. Dennoch haben diese Loblieder den Herrscher selten überlebt; so mancher Nachfolger ging so weit, die in Stein gemeißelten Namen der Vorläufer für alle Zeiten auszulöschen und mit dem eigenen zu überschreiben.

Axel Cäsar Springer. (Foto: Screenshot: sueddeutsche.de)

Dem Verleger Axel Springer hat es nie an Hofschranzen gefehlt, die zu Lebzeiten in Wort, Bild und Ton sein Lob sangen, doch kamen sie ab 1967 kaum mehr gegen den Chor der Springer-Gegner an. Zu groß war der Verleger geworden und drohte sogar noch mächtiger zu werden.

Neben dem öffentlich-rechtlichen dräute schon bald ein Privat-Fernsehen, auf das es Springer auch noch abgesehen hatte. Die politische Meinung, die er seinen Zeitungen recht deutlich vorschrieb, erzürnte nicht bloß die ständig angegriffene und bis zur Lächerlichkeit eingetütelte DDR, sondern vor allem die Berliner Studenten.

Dass ihm die Zuneigung, mit der ihn vor allem sein Hofstaat immer befächelt hatte, plötzlich versagt wurde, hat Springer nie verwunden. 1966 "entdeckte er Israel", wie es sein Biograf Hans-Peter Schwarz formuliert, lässt sich dort als guter Deutscher feiern, reist in die USA, wo er in Washington vom amerikanischen Präsidenten empfangen wird.

Zu Hause in Deutschland aber und vor allem in seiner geliebten Frontstadt Berlin verwandelt er sich binnen weniger Monate in ein Monster. Springer sollte enteignet, seine Meinungsmacht gebrochen werden, und 1972 galt einer der ersten Anschläge der RAF dem Hamburger Verlagshaus. Diese beiden Seiten - den erfolgreichen Großverleger und den entsprechend verhassten Presse-Tycoon - führt Hans-Peter Schwarz in seiner neuen Biografie zusammen. Er durfte zum ersten Mal das Privat- und Hausarchiv einsehen und hat sich als Zeitgeschichtler um eine historische Einordnung des Mannes bemüht.

Am Donnerstag wurde das Buch in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften vorgestellt. Im Treppenhaus sind die Großprojekte der Akademie angekündigt - Händel, Bach, Telemann -, doch an diesem Abend versammeln sich einige Dutzend vorwiegend ältere Herrschaften, um dem vor mehr als zwanzig Jahren verstorbenen Axel Springer zu huldigen.

Beim Eintreten kommt es darauf an, wer vom Vorstandsvorsitzenden Mathias Döpfner (mit Handschlag) und der Witwe Friede Springer (mit Küsschen) begrüßt wird. Arnulf Baring sitzt da, um sich mit dem Lob zitieren zu lassen, das er in der Springer'schen Welt bereits auf die Biografie ausgebracht hat. Michael Stürmer, ein gern gedruckter Kommentator, ist da, muss die Veranstaltung allerdings schon nach 35 Minuten verlassen. Der Springer-Rechtsbeistand Bernhard Servatius hört interessiert zu (der in Inge Kloepfers Friede-Springer-Biografie so schlecht wegkam), so auch der unerschütterliche Springer-Berater Ernst Cramer.

Peter Merseburger, der im vergangenen Herbst eine viel besprochene Biografie über den Konkurrenten Rudolf Augstein veröffentlicht hat, fiel krankheitsbedingt aus, so dass Hermann Rudolph vom Tagesspiegel die Aufgabe übernahm, in einem Gespräch mit Hans-Peter Schwarz für alle jene, die sich die 734 Seiten ersparen wollten, die wichtigsten Thesen aus dessen Springer-Biografie zu fördern.

Die größten Springer-Gegner

Zu ihnen gehört die Erkenntnis, dass die größten Springer-Gegner nicht etwa Dutschke und Mahler und nicht einmal Ulrike Meinhof hießen, sondern Rudolf Augstein und Gerd Bucerius. Sie wollten der schier unaufhaltsamen Ausbreitung des Springer-Imperiums entgegentreten und halfen deshalb bereitwillig, die studentische Opposition zu finanzieren; sogar für das geplante "Springer-Tribunal" gab es Geld.

Als Manfred Bissinger seine legendäre "Axel-Springer-Story" für den Stern schrieb, kam das Manuskript auf den Tisch des Verlegers Bucerius, der den Ton sogar noch verschärfte. Andererseits ließ sich Augstein später von Springer bewegen, eine Geschichte aus dem Spiegel zu nehmen, in der an Springers Heldenmut im "Dritten Reich" gezweifelt wurde. Dass Springers journalistische Tätigkeit damals "kein Ruhmesblatt" war, erwähnt Schwarz an diesem Feier-Abend nicht, es steht aber in seinem Buch.

Auch wenn das gern behauptet werde, sei Springer kein Visionär gewesen, schloss Schwarz seinen Springer-Schnellkurs, "sondern ein ganz zäher Kämpfer". Gesprächsweise lobte der langjährige Bild-Kolumnist Mainhardt Graf Nayhauß anschließend die vielen neuen "insights", die das Buch bringe, aber am Ende scheint die ganze Mühe des Biografen doch vergeblich. Nach der Buchvorstellung schaut der belehrte Zuhörer ins Internet und findet auf bild-online die alte Weise: "Der Visionär Axel Springer. Eine neue Biografie enträtselt den genialen Verleger".

© SZ vom 01.03.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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