Ausstellung:Von Agitation bis Zensur

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Von Kurt Eisner bis Gustav Landauer: Blick in die Monacensia. (Foto: Eva Jünger)

"Dichtung ist Revolution" in der Monacensia

Von Antje Weber, München

Die Revolution erzieht ihre Kinder. Denn das Erste, was einem in der Monacensia ins Auge und in die Hände fällt, ist ein "Kleines Wörterbuch der Revolution" - ein Heftchen, das die wichtigsten Begriffe der nun folgenden Ausstellung erklärt, von "Agitation" bis "Zensur". Das passt gut in die Hosentasche und ist überhaupt eine schöne Handreichung für Schüler, vielleicht auch Erwachsene. Und es zeigt gleich mal, was dem Team um Kuratorin Laura Mokrohs bei der Ausstellung "Dichtung ist Revolution" wichtig ist: Verständlichkeit und Anschaulichkeit.

Das Thema selbst ist ja schon kompliziert genug. So viel in diesem Jahr auch schon über die Revolution in Bayern vor 100 Jahren geschrieben worden ist, im Detail bleiben die Entwicklungen und Ereignisse eben sehr vielschichtig. In der Monacensia stellt man daher beispielhaft vier Männer ins Zentrum, die nicht nur allesamt Schriftsteller waren, sondern auch politische Ämter während der Revolution bekleideten - und in ähnlicher Weise diffamiert wurden: Kurt Eisner, Gustav Landauer, Erich Mühsam und Ernst Toller.

Um zu erklären, wo ihre Ideen wurzeln, gibt die Ausstellung zunächst einen kurzen Einblick ins bunte Münchner Bohème-Leben, wo Erich Mühsam 1918 zum Beispiel folgenden Eintrag in einem Gästebuch hinterlässt: "Zauber übermannt die Stille. / Langsam ist der Gastfreund knülle. / Kunst, Erotik und Gesang / fördert Durst und Überschwang." Dazu eine Zeichnung mit lustigen Zechern - kein Wunder, dass die nationalistischen Kreise des deutschen Vaterlands um den Mediziner Max von Gruber oder den Fotografen Heinrich Hoffmann, gleich gegenüber auf der Wand dargestellt, den Verfall der Sitten befürchteten. Und Schriftsteller wie Mühsam, Franziska Gräfin zu Reventlow oder Frank Wedekind feierten ja nicht nur: Sie schrieben auch noch gegen bürgerliche Scheinmoral und Militarismus an und solidarisierten sich mit den während des Kriegs immer stärker notleidenden Arbeitern.

Wie sich die Not in ersten Januarstreiks 2018 entlädt und die Stimmung in Richtung Revolution auflädt, verdeutlicht die Ausstellung mit einem roten, zunehmend verdichteten Zeitstrahl - und anhand von vielen Flugblättern und Plakaten, die auf passend roh zusammengezimmerten Demo-Schildern stecken. "Wenn nicht Hunger die Deutschen zur Revolution zwingt, gibt es keine", wird da auch die Revolutionärin Sarah Sonja Lerch zitiert, die an der Seite von Eisner agitierte. Was Eisner selbst angeht, so liest man auf einem Plakat als erstes ein "Trauer-Blatt" zu seinem Tod, bevor man ihn überhaupt näher kennenlernt - eine etwas irritierende Entscheidung in einer ansonsten geschickten Anordnung von Schildern, großformatigen Bildern an den Wänden und kleineren Fotos, Büchern und Schriften in den Vitrinen.

In diesen Vitrinen, die sich intensiver dem Wirken und Werken der vier Dichter widmen, wird dann auch die inhaltliche Qualität dieser Ausstellung deutlich: Mokrohs stützt sich nicht nur auf die Sammlungen der Monacensia - unter anderem eine in diesem Fall sehr wertvolle Flugblattsammlung -, sondern hat Material aus vielen Archiven zusammengetragen. Sogar ein Notizbuch Mühsams aus dem Moskauer Gorki-Institut, das seinen Nachlass verwahrt, ist zu sehen: Auf Blümchenmuster hat er da die französische "Internationale" hineingeklebt. An anderer Stelle kann man auf vergilbtem Papier eine sarkastische Erklärung Eisners nachlesen, ein Lehrbeispiel für den Umgang mit der Pressefreiheit. Denn auch wenn der nunmehrige Ministerpräsident sich Ende November 1918 gegen "alberne Artikel" wehrt, die ihn verleumden, so steht da doch der immer wieder bemerkenswerte Satz: "Ich wiederhole, dass die Presse in voller Freiheit soviel Dummes und Kluges, soviel Anständiges und Schmutziges produzieren soll, wie es ihrem geistigen und moralischen Vermögen entspricht." So souverän muss ein Souverän erst einmal sein.

Man kann bei genauerem Hinschauen also einiges entdecken in dieser Ausstellung - und in Laura Mokrohs' Begleitbuch "Dichtung ist Revolution" (Verlag Friedrich Pustet) anschließend vertiefen. Wenn es dann im letzten Raum an die "Bluttümpel", an den Sieg der Gegenrevolution geht, dann sticht jedoch auch bei flüchtigem Blick sofort etwas ins Auge: eine Zwangsjacke aus der Haftanstalt Niederschönenfeld. Toller und Mühsam waren hier nach 1919 inhaftiert und wurden unzulässig schikaniert, mit Schreibverbot bis Zwangsjacke. Dazu passt die infame Propaganda der erstarkenden Rechten, die jene vier eigentlich in vielem uneinigen Schriftsteller auf einen Nenner zu bringen versuchte: nicht nur als "politische Hochstapler", "landfremde Elemente" oder "bolschewistische Agitatoren", sondern auch, offen antisemitisch, als "jüdische Literaten".

Und sie müssen für ihre Revolution büßen, diese Literaten. Eisner und Landauer werden schon 1919 umgebracht, Mühsam wird 1934 im KZ ermordet, Toller bringt sich 1939 im Exil selbst um. Wie schrieb Erich Mühsam: "Ich habe die Möglichkeit, mein Leben der Sache zu opfern, vom ersten Tage an in Betracht gezogen. Wer für eine Idee leben will, der muß auch für sie sterben können. Aber auf die Art, wie man dafür stirbt, kommt es an." Für Ideen wie Demokratie und Menschlichkeit einzustehen, liebe Kinder, ist und bleibt lebensgefährlich.

Dichtung ist Revolution , bis 30. Juni , Monacensia, Maria-Theresia-Str. 23. Mit reichem Begleitprogramm und bebildertem Blog von Laura Mokrohs und Barbara Yelin, www.literaturportal-bayern.de

© SZ vom 09.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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