Ausstellung:Verliebt in die Schönheit

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Gunter Sachs war Mathematiker und Wirtschaftswissenschaftler, Industrieller, Playboy, Kunstsammler, Dokumentarfilmer und Fotograf. In Schweinfurt, wo er 1932 geboren wurde, gibt es derzeit eine Ausstellung über seine Kamerakunst

Von Sabine Reithmaier

Schon der Einstieg in die Ausstellung ist witzig. Eine gigantische, wandfüllende Foto-Collage, die sich überwiegend auf ein einziges Motiv konzentriert: Gunter Sachs, den schillernden Global Player des Jetsets. Der Kosmopolit, 1932 in Schweinfurt geboren und bis zu seinem Freitod 2011 zwischen St. Moritz, Paris, London und München pendelnd, war zeitlebens ein begehrtes Paparazzi-Motiv. Ganz besonders in jenen Jahren, als er mit Persiens Ex-Kaiserin Soraya kurz liiert und mit Brigitte Bardot verheiratet war. Um seine Rolle als Playboy geht es in der Kunsthalle Schweinfurt aber nur am Rande, im Mittelpunkt steht Sachs als Fotograf, Dokumentarfilmer und Kunstsammler.

"Nie wurde ich fotografiert, wenn ich morgens mit der Aktentasche ins Büro ging", konstatierte der Industriellensohn einmal. Dabei hatte der studierte Mathematiker und Wirtschaftswissenschaftler mit seinem Bruder 18 Jahre lang die Firma Fichtel & Sachs geleitet, die sein Großvater Ernst Sachs (1867-1932) in Schweinfurt mitgegründet hatte. Letzterer erfand den Fahrrad-Freilauf mit Rücktrittbremse und schenkte anlässlich seines 60. Geburtstags den Schweinfurtern ein Hallenschwimmbad. Das Geschenk hat die Stadt inzwischen in ein Museum umgewandelt. Dessen zehnjähriges Bestehen, das im Juli gefeiert wird, nimmt die Kunsthallen-Leiterin Andrea Brandl zum Anlass, die hochwertige Dauerausstellung zur "Kunst nach 1945 in Deutschland" zu überarbeiten und eine neue Präsentation zu entwickeln. Doch eingeleitet werden die Jubiläumsfeierlichkeiten mit Sachs Kamerakunst, eine Schau, die dem Haus ähnlich viele Gäste bescheren soll wie 2013/14, als Brandl die Sachssche Kunstsammlung zeigte.

Freche Provokation: "Ascot" (1995) aus der "Multi Facts"-Serie von Gunter Sachs. (Foto: Estate Gunter Sachs)

Tatsächlich ist fast schon vergessen, dass Sachs ein ebenso leidenschaftlicher wie kundiger Kunstsammler und Fotograf war. Die Münchner verwirrte er schon 1967 in der Villa Stuck mit Bildern von Yves Klein, Arman und Jean Fautrier. Sein Plan, dort rechtzeitig zu den Olympischen Spielen auch ein Modern Art Museum zu gründen, scheiterte am Widerstand der Stadt, weshalb er sich Hamburg zuwandte und dort in seiner "Galerie an der Milchstraße" hierzulande noch unbekannte Künstler der Nouveaux Réalistes oder der Pop-Art vorstellte. Andy Warhol zum Beispiel, den er 1967 bei den Filmfestspielen in Cannes kennengelernt hatte, als ihn Warhol in einer Bar ansprach. Sachs veranstaltete 1972 in Hamburg eine der ersten deutschen Warhol-Ausstellungen. Mit bescheidenem Erfolg, niemand wollte ein Bild kaufen. Um das sensible Gemüt seines Freunds zu schonen, kaufte Sachs heimlich ein Drittel der Werke. Eine hervorragende Investition, Sachs bedauerte später sehr, nicht alle Arbeiten gekauft zu haben.

In der ehemaligen, neun Meter hohen Schwimmhalle lässt sich nun gut studieren, wie ihn Warhol und andere Künstler inspirierten. Aus seinen Quellen macht der Fotograf keinen Hehl. Auffallend oft tituliert er seine eigenen Arbeiten mit "Hommage à ...". An Warhol beispielsweise, dessen Siebdruck-Serie von Brigitte Bardot ihn zu einem ganz ähnlichen Zyklus mit Claudia Schiffer anregte.

Animierend fand Gunter Sachs auch Yves Kleins Anthropometrie-Gemälde. Während Klein seine Modelle als "lebende Pinsel" sieht, faszinieren Sachs in "Farbe Blau" (2007) die Momente, in denen die Farbe wie ein Pinselstrich auf den weiblichen Akt zufliegt und sich über ihn ergießt. Auch Gemälde der Surrealisten Salvador Dali oder Yves Tanguy empfindet er nach, reiht in seinen Kompositionen traumhafte und reale Elemente vor einer weiten Landschaft auf, sogar die Lichtverhältnisse ähneln sich.

Gunter Sachs wurde auch oft selbst fotografiert und festgehalten, wie hier 1972 von Andy Warhol. (Foto: Andy Warhol Foundation for The Visuals Arts, NY)

In anderen Räumen treten seine Arbeiten - thematisch nach Porträt, Akt und Erotik, Architektur und Landschaft gegliedert - in Dialog mit Werken anderer Fotografen, die er gesammelt hat. Will McBrides Studien von Romy Schneider, Walter Schels schonungslose Aufnahmen von Joseph Beuys und Andy Warhol, Christer Stroemholms Porträt des alten Marcel Duchamp, Warhols Schnappschüsse von Prominenten wie Bianca Jagger, Liza Minelli oder Diana Vreeland (Serie von 12) - dagegen hat es die Makellosigkeit Claudia Schiffers schwer, egal ob sie Sachs in der Heldinnen-Serie als Nonne von Gunsa, Cleopatra, Mata Hari oder Lara aus Dr. Schiwago inszeniert. Sachs war sich dessen bewusst, dass man seine Fotos als zu schön empfinden konnte. "Im Grund bin ich jemand, der vor allem die Schönheit in dieser Welt sucht und sieht und diese Schönheit anderen Menschen zeigen möchte", zitiert ihn der Katalog. Hässliches hatte keinen Platz in seinem Kosmos. Seine Ästhetik verwirklicht er vor allem in seinem bevorzugten Motiv, dem weiblichen Körper, den er spektakulär inszeniert.

Von 1972 an arbeitet Gunter Sachs als professioneller Fotograf, hat schnell Erfolg. 1973 fotografiert er für die Vogue, 1974 das Messeplakat der Photokina, erhält deren Ehrenpreis; 1976 folgt der Leica-Preis. Vergnüglich zu beobachten, wie er mit Langzeitbelichtungen experimentiert, oder zu entdecken, wie früh er sich digitalen Neuerungen zuwendet. Der Fotograf ging übrigens aus dem Filmer hervor. Von 1963 an drehte Sachs fünf Dokumentationen. Besonders bekannt "Happening in White" (1969), bis heute atemberaubende Zeitlupenaufnahmen von Skiakrobaten, aufgenommen mit den ersten Hochgeschwindigkeitskameras, die es damals gab. Phänomenal und sehr ästhetisch.

"Esquisse pour une statue (sans éclair)" (1979). (Foto: Estate Gunter Sachs)

Gunter Sachs: Kamerakunst , bis 16. Juni, Kunsthalle Schweinfurt, Rüfferstraße 4

© SZ vom 10.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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