Ausstellung:Über Menschen

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Japanische Selbstdarstellung: ein Sumo-Ringer. (Foto: Museum Fünf Kontinente)

Eine Schau ergründet ethnografische Fotografien

Von  Elena Berchermeier, München

Der Großvater der hawaiianischen Königin Emma war Brite. Zu sehen ist sie auf Fotografien um 1870, darunter ein Bild des französischen Fotografen Camille Silvy, der hauptsächlich europäische Adelige ablichtete. Elemente der westlichen Mode spiegeln sich in Emmas Kleidung. Vor ihrer Hochzeit wurde ihre hawaiianische Identität infrage gestellt, was die Königin sehr traf. Die Kategorisierung von Menschen nach Nationalitäten wird in der Ausstellung "Fragende Blicke - Neun Zugänge zu ethnografischen Fotografien" thematisiert. In der Fotoserie "Frauenporträts" geht es um den sogenannten "Blutstatus". Dieser ordnete Individuen "ethnisch-rassische" Kategorien zu. Was aus heutiger Sicht eindeutig diskriminierend ist, war damals üblich.

Die Ausstellung im Museum Fünf Kontinente zeigt mehrere Fotoserien, die jeweils andere Zugänge zum Thema Ethnie haben. Studentische Gastkuratoren des Projektseminars "Ethnografisches Bildgedächtnis und museale (Re-)Präsentation" der LMU München stellen Fragen zu den Menschen vor und hinter der Kamera. Was soll ein Foto aussagen? Was vermitteln die Bilder heute? Durch den kritischen Blick auf die unterschiedlichen Darstellungen wird der Museumsbesucher mit der eigenen Wahrnehmung konfrontiert. Wie sieht man selbst die Menschen heute, die nun, viele Jahre später, in einem Museum zur Schau gestellt werden?

Gezeigt werden etwa Bilder von Tänzen aus Bolivien. Die Tradition bleibt dem Betrachter rätselhaft. Auf anderen Fotografien dagegen wird die Distanz zwischen den Menschen schon im Bild deutlich. Das Foto "Weiße Frauen mit eingeborenen Kindern" wurde in Papua-Neuguinea aufgenommen. Während weiße Frauen die Babys der Eingeborenen hochhalten und lachen, stehen die Eingeborenen eher zurückhaltend und mit neutralem Gesichtsausdruck daneben. Einer von ihnen hält ein weißes Kind im Arm.

Unmittelbar kommt die Frage auf, wie die Beziehungen untereinander in dieser Gruppe waren. Und subjektive Wahrnehmung kommt ins Spiel: Was auf den ersten Blick wie ein Austausch aussieht, kann auch Zurschaustellung sein.

So bleibt bei vielen der ausgestellten Fotos die Frage, ob sich die Menschen vor und hinter der Kamera auf Augenhöhe begegnet sind, ob sie gleichberechtigt waren oder ob ein damals vorherrschender Exotismus abgebildet und dadurch reproduziert wird? Werden deutliche Unterschiede zwischen den Ethnien gemacht, dabei aber die weiße als Norm angesehen? Exotik kann allerdings auch zum Exportgut werden. Mit kommerziellen Hintergedanken fingen japanische Fotografen klischeehafte Kirschblüten-Motive ein, um das westlich geprägte Bild von Japan selbst für sich zu nutzen.

Neun Bildgruppen gibt es, die von neun Studierenden aus den Beständen des Museums ausgewählt und in diesen komplexen assoziativen Kontext gesetzt wurden. Wichtig ist, sich bewusst zu machen, wie die Fotografien damals wahrgenommen wurden und wie sie heute aus einer aufgeklärten Perspektive zu betrachten sind. Gut möglich, dass man dabei plötzlich eigene, festgefahrene Sichtweisen wahrnimmt.E lena Berchermeier

Fragende Blicke - Fünf Zugänge zu ethnografischen Fotografien , bis zum 30. Juni 2019, Dienstag bis Sonntag, 9.30 bis 17.30 Uhr, Museum Fünf Kontinente, Maximilianstraße 42, 210 13 61 00.

© SZ vom 22.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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