Ausstellung:Top in Form

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Peter Behrens setzte in seinen Interieurs auf klare Linien und reduzierte Formen, so wie in der Küche aus dem Jahr 1902. (Foto: Germanisches Nationalmuseum Nürnberg)

Wer sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts für Einrichtung interessierte, kannte vermutlich Peter Behrens. Der bedeutende Jugendstilkünstler, AEG-Designer und Architekt entwarf Interieurs von klarer Schönheit. Das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg widmet ihm nun eine Ausstellung

Von Florian Welle, Nürnberg

"Auf der Höhe der Zeit sein": Wer sich zu Beginn des vorigen Jahrhunderts für Einrichtungstrends interessierte, der hatte etwa die Möglichkeit, durch Hermann Warlichs Bildband "Wohnung und Hausrat. Beispiele neuzeitlicher Wohnräume und ihrer Ausstattung" von 1908 zu blättern und sich dort Anregungen für den eigenen Hausstand zu holen. Dabei stieß der Betrachter zwangsläufig auch auf die Toiletten- und Schlafzimmereinrichtung, die sich die Nürnbergerin Clara Reif 1902 als Aussteuer für ihre Hochzeit mit dem Arzt Theodor Schilling von dem Jugendstilkünstler Peter Behrens entwerfen ließ. Dazu gehörte unter anderem ein Doppelbett aus Massivholz, dessen strenges Dekor am Kopf- und Fußende mit der Form des Dreiecks spielt. Daneben existierte noch ein Paravent, dessen mittlerweile verblichener Stoff einst in einem zarten Lila schimmerte. Auch der Wäscheschrank wies ursprünglich eine Farbigkeit auf, die den heutigen Betrachter in Erstaunen versetzt: Er war leuchtend grün gebeizt.

Der Auftrag, den Claras Mutter, die Brauereibesitzersgattin Emilie Reif, erteilte, umfasste allerdings noch wesentlich mehr als das Schlafmobiliar. Insgesamt sieben Zimmereinrichtungen, dazu noch Geschirr, Gläser, Tisch- und Hauswäsche, wurden für eine stattliche Summe geordert. Allein der Preis für das Schlafzimmer belief sich auf über 4 700 Mark.

Die Ausstattung von drei Wohnräumen - neben dem Schlafzimmer sind das noch die funktionale Küche und das schlicht wirkende Gästezimmer - befindet sich heute im Besitz des Germanischen Nationalmuseums und bildet das Herzstück der Ausstellung über Peter Behrens und dessen "Nürnberger Intermezzo", das ihn 1901 und 1902 auch für jeweils einen Monat ans Bayerische Gewerbemuseum geführt hatte. Anlass der Präsentation, die anhand von 200 Exponaten auf anschauliche Weise in die großbürgerliche Wohn- und Lebenswelt von gestern entführt, ist der 150. Geburtstag des bedeutenden Jugendstilkünstlers, AEG-Designers und Architekten im April nächsten Jahres.

Das Nürnberger Intermezzo wäre nicht denkbar ohne den Erfolg, die der 1868 in Hamburg geborene Autodidakt Behrens im Sommer 1901 mit dem von ihm konzipierten "Haus Behrens" auf der wegweisenden Darmstädter Jugendstil-Ausstellung "Ein Dokument deutscher Kunst" feierte. Es war sein Durchbruch. Kennzeichnend für seinen Stil waren kräftige Farben und ein einheitlich durchgestaltetes Interieur, das ganz auf historistisch-schwülstige Opulenz verzichtete und stattdessen auf reduzierte Formen und klare Linien setzte. Zu den Besuchern der Ausstellung auf der Mathildenhöhe gehörten damals auch Emilie Reif und die 19-jährige Clara, die so angetan waren, dass sie später bei Behrens die Aussteuer im sogenannten "neuen" Stil bestellten. In Nürnberg sind neben den Möbeln und Gebrauchsgegenständen auch alte Fotos zu sehen, die das Ehepaar Schilling im Lebensumfeld ihrer in der Nürnberger Südstadt gelegenen Villa zeigen, in der es ab 1905 residierte. Im Gegensatz zu Behrensʼ Innenausstattung überstand das Haus den Zweiten Weltkrieg nicht.

Begeistert vom "Haus Behrens" war aber auch Theodor von Cramer. Der Direktor des Bayerischen Gewerbemuseums bat nach seinem Besuch in Darmstadt den Künstler, zwei Meisterkurse in Nürnberg zu leiten. Zahlreiche Exponate vom Deckchen bis zum Kronleuchter zeugen nun davon, wie Behrens die Teilnehmer im modernen Stil unterrichtete: auch hier dominiert die einfache Form. Die Lehrtätigkeit war Voraussetzung für Behrensʼ anschließende Berufung zum Direktor der Kunstgewerbeschule Düsseldorf, an die sich seine Berliner Jahre anschlossen. Erst 1940 endete ein lang währendes Künstlerleben von Weltgeltung.

Peter Behrens. Das Nürnberger Intermezzo , Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg, bis 6. Mai

© SZ vom 27.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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