Ausstellung:Schluss mit Überfluss

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30 Positionen zum Wesentlichen: "Essentials" im Haus der Kunst

Von Jürgen Moises, München

Minimalismus gilt heute als Lebensstil und steht für den Versuch, als Reaktion auf kapitalistischen Überfluss das eigene Leben zu simplifizieren. Minimalismus gab es auch schon früher, in der Kunst. Und auch hier ging es um Reduktion, um die Suche nach einfachen und wesentlichen Formen, man könnte sagen: nach dem, was die Essenz von Kunst ausmacht. Die Ausstellung "Essentials" des Künstlerverbundes im Haus der Kunst mit Arbeiten von mehr als 30 Künstlern spürt der verbindenden Frage nach dem Wesentlichen nach. Sie tut das, indem sie Positionen ins Zentrum rückt, die minimalistische Tendenzen aus der Kunst des 20. Jahrhunderts aufgreifen, diese zitieren oder weiterführen oder mit aktuellen Mitteln neu interpretieren.

Der Blick zurück reicht dabei bis Wassily Kandinsky, der in seiner Schrift "Punkt und Linie zur Fläche" das für ihn zentrale Vokabular der Kunst verhandelt hat, auf welches Tim Wolff mit einer großen Wandzeichnung anspielt. Darin wird die Realität in einfachste grafische Formen wie Oval und Linie überführt. In filigraner Form etwa taucht die Linie auch bei Mitra Wakil als Element auf. In Anspielung an die Arte Povera hat Wakil als Motiv die Faltenwürfe von Textilien mit einem Lasercutter in Stoff eingebrannt. Zita Habarta wiederum versteht ihre ebenfalls filigranen Liniengeflechte als mögliche Formen der Zukunft.

Bei Michele Bernardi begegnen einem "natürliche Linien" aus Metall, die zu einer Art überdimensionalem Koordinatensystem montiert sind. Und eine zunächst abstrakt wirkende Skulptur lässt sich aus einem bestimmten Winkel heraus als das Wort "Linie" lesen. Pavel Zelechovsky arbeitet bei "Das Ende der Ideologien" ebenfalls mit Text. Mit Hilfe von vier Walzen lassen sich 81 Wortkombinationen à la "alle überall immer nicht" erstellen. Die "Ideologien" führen sprachlich hier ins Leere. Deren farbliches Äquivalent, das reine Weiß, ist bei Anita Stöhr Weber und Dieter Villinger Thema. Weber lässt ihre Weiß-Töne rein aus dem Zusammenklang von Farbe und Farbträger entstehen und Villinger aus dem Zusammenspiel von Acryl und Glas, das in gekräuselter Form im Betrachter-Auge weiß wirkt.

Der bildnerische Umraum rückt in den Videos von Peter Dobroschke und Alexander Steig ins Zentrum. Dobroschke zeigt statt 25 Bildern 25 Bilderrahmen pro Sekunde, Steig hat eine Videokamera im Treppenaufgang angezapft. Was einem bewusst macht, dass man auch als Betrachter permanent betrachtet wird. Konkret auf das Haus der Kunst als Raum wirft Pavel Schmidt einen kritischen Blick. Für die Installation "Raum Alptraum" hat er echte Schienen und Eisenbahnpuffer mit sieben Kopien von Michelangelos "David" kombiniert und spielt damit auf die heikle Gründungsgeschichte des Gebäudes in der NS-Zeit an. Eine historische Last, an deren Minimierung wiederum Georg Winter in Form einer "psychotektonischen Sanierung" arbeitet. Man könnte das natürlich auch eine künstlerische "Geisteraustreibung" nennen, die auf eine schräg-humorvolle Weise aufzeigt, dass man alleine durch eine materielle Reduktion oder Veränderung seine Gespenster nicht unbedingt loswird.

Essentials , bis 2. Okt., Haus der Kunst, Prinzregentenstraße 1

© SZ vom 26.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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