Ausstellung:Rätselhafte Postermöbel

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Gegenstände lösen sich ins Abstrakte auf: Wie alle Werke Alois Riedls ist auch dieses Bild von 1988 ohne Titel. (Foto: Museum Moderne Kunst Passau)

Zum 80. Geburtstag des oberösterreichischen Malers Alois Riedl zeigt das Passauer Museum Moderner Kunst eine Retrospektive

Von Sabine Reithmaier

Zerschlissene Sofas, abgewetzte Sessel, geschwungene Stuhllehnen, dicke Kissen - der Maler Alois Riedl war eine Weile nahezu besessen von Polstermöbeln. Stur und mit fast manischer Konsequenz hat er sie gemalt, hat dunkle, kompakte Wesen geschaffen, die selbstherrlich den ganzen Raum eines Bildes dominieren. Die Konzentration auf die bis dahin wenig kunstwürdigen Sitzmöbel brachte ihm den Spitznamen "Polstermaler" ein. Aber trotzdem stellen diese Bilder nur eine Station eines langen künstlerischen Weges und einer andauernden Suche dar.

40 Jahre seiner Arbeit umspannt die Ausstellung im Passauer Museum Moderner Kunst, das sich damit einreiht in die Schar derjenigen, die den 80. Geburtstag des oberösterreichischen Malers würdigen. Es ist nicht die einzige Riedl-Schau, insgesamt gab und gibt es heuer sechs Einzelausstellungen. Aber das Passauer Museum hat dem Künstler, der mit dem im Vorjahr verstorbenen Museumsgründer Hanns Egon Wörlen eng befreundet gewesen war, Werke abgeluchst, die fast alle noch im Besitz des Malers sind und bislang noch in keiner Ausstellung zu sehen waren. Und obwohl retrospektiv angelegt, liegt der Schwerpunkt auf Riedls großformatigen Gemälden aus den Achtzigerjahren.

Als Maler ist der 1935 in St. Marienkirchen bei Schärding geborene Riedl ein Autodidakt. Erlernt hat er den Beruf des Schneiders, seinen Lebensunterhalt verdiente er eine Weile als Zollbeamter, bevor er 1970 seine künstlerische Tätigkeit zum Hauptberuf machte. Doch erst beginnt er eher nebenbei in den Sechzigerjahren zu zeichnen. Diese Zeichnungen wecken früh das Interesse des Salzburger Galeristen Ferdinand Welz. Anfangs sind die Motive noch konventionell und gegenständlich. In einer Vitrine liegen sogar ganz frühe Skizzen, noch mit Landschaft und Mensch. Aber bald konzentriert sich Riedl auf Stillleben mit Tisch, Flasche und Obst. Diese düsteren Arrangements beginnen bereits, jenes intensive Eigenleben zu entwickeln, das wenig später in den Siebzigerjahren die Polstermöbel-Gemälde charakterisiert und so rätselhaft macht.

Es ist in der Ausstellung gut zu verfolgen, mit welcher Konsequenz und Beharrlichkeit Riedl seinen Stil weiterentwickelt, ihn unbeirrbar vervollkommnet und perfektioniert hat. Die konkreten, von ihm so intensiv betrachteten Gegenstände rücken nämlich immer dichter an den Betrachter heran, bis sie so nahe sind, dass sie sich schließlich ins Abstrakte auflösen, nicht mehr als reale Objekte erkennbar sind, vor dem Auge zu verschwimmen scheinen. Riedl türmt Formen übereinander, verdichtet die Farbe zu teils monochromen Flächen, alles mit leidenschaftlichem wild-expressiven Gestus, einem Pinselstrich, der auch sichtbar bleiben darf, und Papier, das sich wellt und dellt.

Für seine Energie genügt bald eine einzige Leinwand nicht mehr, sondern er braucht drei. Seine Triptychen, die den großen Saal des Museums beherrschen, haben etwas Überwältigendes, Dramatisches. Auch wegen der Farben: Ist anfangs viel Dunkles, Graues und Schwarzes, vermischt mit Weiß, dominierend, werden später Rostbraun und Gelb wichtig. Und bleiben das auch, wie vier gelb schimmernde Arbeiten von 2004 belegen. Auf dem gelben Kreisgrund schwimmen schwarze Linien, Balken, Pfosten, werden herausgelöst, isoliert, gerinnen zu Zeichen und Kürzel für eine unbekannte Sprache. Aber da ist der Maler Riedl bereits wieder ruhiger geworden, hat seine wilde Phase hinter sich und konzentriert sich im nächsten Schritt auf aus den Kreisformen abgeleitete Scheiben, die er bemalt. Das können vom Baum abgeschnittene Holzscheiben sein, aber auch Aluscheiben, die dann fast wieder wie Holz anmuten. Wieder ist es die Farbgestaltung, die in diesen späten Arbeiten beeindruckt. Und irgendwie passt es gut, dass sämtliche Werke ohne Titel sind, manche auch ohne Jahreszahl auskommen müssen.

Menschen zeichnet Riedl nur selten. Aber es gibt in der wirklich sehenswerten Ausstellung zwei Selbstporträts, die ihn 1980 und 2004 zeigen. Und eine anrührende Arbeit in Kreide und Tusche, die seine Frau Annerose darstellt, hochschwanger im Jahr 1979.

Alois Riedl - Auf der Suche , bis 13. September, geöffnet Di bis So, 10 -18 Uhr, Mo, 9 - 16 Uhr, Museum Moderner Kunst Passau

© SZ vom 21.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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