Ausstellung:Mehr Licht!

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Leuchtet in den Stadtraum: das Neon-Spiegel-Objekt "Sichtlinien des Möglichen" von Brigitte Kowanz. (Foto: Studio Kowanz/Bildrecht, Wien 2018/VG Bild-Kunst, Bonn 2018)

Die weltweit agierende Künstlerin Brigitte Kowanz hat eigens für die DG-Galerie eine erhellende Installation konzipiert. Eingebettet ist die Arbeit in ihre Einzelausstellung "Sichtlinien des Möglichen"

Von Evelyn Vogel

Am eindrücklichsten wirkt sie vom Wittelsbacherplatz aus. Da strahlt die Lichtskulptur von Brigitte Kowanz den Besuchern der DG-Galerie so richtig entgegen. Die Lesbarkeit ihrer Botschaft ist zwar wie immer bei Kowanz eine Herausforderung, aber wer den Schleifen der Neonschrift in den Spiegelkuben aufmerksam folgt, kann die Schrift alsbald entziffern: "Sichtlinien des Möglichen" steht da über zwei Seiten gezogen. Dass es "nur" zwei Seiten sind, lässt sich nur an bestimmten Standorten erkennen. Die Neonschrift wird durch eine mehrfache Bildreflexion in Zweiwegspiegeln zum vielschichtigen Kunstwerk.

Dieses wird nicht nur während der aktuellen Ausstellung den Besuchern der Galerie entgegenleuchten, sondern dauerhaft. Denn die DG-Galerie hat die Skulptur mit Hilfe ihres Vereins "Ausstellungshaus für christliche Kunst" angekauft, um "als weithin sichtbares Zeichen in den Stadtraum hinein zu wirken", wie Benita Meißner, Geschäftsführerin und Kuratorin der Galerie, erklärt. Ursprünglich hatte man überlegt, eine Werbeleuchtschrift für die vor drei Jahren bezogenen Galerieräume am Rande der Siemens-Hauptzentrale am Wittelsbacherplatz anzuschaffen. Aus dieser Idee heraus entwickelte sich dann aber ein immer umfangreicheres Projekt und vor allem eines, bei dem der Werbe- immer mehr dem Kunstaspekt wich. Dass man Brigitte Kowanz für die Auftragsarbeit gewinnen konnte, setzt ein Ausrufezeichen hinter die internationale Ausrichtung des Programms.

Die österreichische Lichtkünstlerin ist nicht erst seit ihrem Auftritt auf der Biennale in Venedig 2017, wo sie den Pavillon ihres Heimatlandes bespielte, eine herausragende Vertreterin der Lichtkunst. Weltweit waren ihre Werke in musealen Ausstellungen zu sehen, ihre Heimatstadt Wien hat sie mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem österreichischen Staatspreis. An der Universität für angewandte Kunst in Wien, wo die mittlerweile 61-Jährige in den Siebzigerjahren studierte, ist sie seit 1997 Professorin für Transmediale Kunst. Ihr großer Biennaleauftritt war ein visuelles und interaktives Erlebnis, mit dem die Besucher sehr viel Spaß hatten - selbst wenn sie die komplizierten Codes, die oft die Lichtskulpturen inhaltlich bestimmen, nicht auf Anhieb entziffern konnten.

In München ist die viel gefragte Künstlerin mit sehr viel Einfühlungsvermögen für die Raumsituation und die noch kommenden Ausstellungen vorgegangen. "Mir war wichtig, dass die Skulptur die nächsten Künstler nicht beeinträchtigt", erzählt sie sehr uneitel. Ihre Arbeit soll sich zwar dauerhaft in den Stadtraum hinein behaupten können, sich aber nicht bei jeder Ausstellung in die Innenraumsichtachse hineinschieben. So drückt sich die dreiteilige Lichtstele nun fast in eine Nische entlang der Fensterfront und macht erst mit zunehmender Dunkelheit stärker auf sich aufmerksam, indem ihre Leuchtschrift von der Fensterfront noch einmal in den Innenraum hinein reflektiert wird. Ein raffinierter Kniff, um allen Anforderungen gerecht zu werden.

Benita Meißner hat für diese Ausstellung den eigentlich offenen Galerieraum verändert und dem Lichtkubus "Unexpected" hinten einen optisch etwas abgetrennten Bereich zugewiesen. Die beiden blau leuchtenden Wandobjekte "Opportunity" und "Inspiration" (beide mir Argongas gefüllt) erstrecken sich über beide Bereiche und werden von dem in roter Neon-Schrift strahlenden "Contemplation" verbunden. Auch hier muss man die auf den ersten Blick abstrakt wirkenden Formen genau lesen, um die Schriftzüge zu entziffern. Das wird fast gänzlich unmöglich bei der fünfteiligen Bildserie auf grünem Grund, die wie die Auftragsarbeit "Sichtlinien des Möglichen" heißt. In der hat Brigitte Kowanz zeichnerisch aus Buchstaben architektonische Räume gebaut und handschriftlich Lichtinterventionen vorgenommen.

Die Werke in der Galerie der DG sind fast alle in den vergangenen beiden Jahren entstanden, nur der "Unexpected"-Kubus stammt von 2011. Frühe Arbeiten, in denen sie zum Teil mit Zahlen oder Lichtstäben arbeitete, zeigt die Ausstellung nicht. Und doch versteht die DG ihre Galerie nicht nur als Brückenschlag zum Kunstareal, sondern die Präsentation auch als Link zu einer anderen Arbeit von Brigitte Kowanz im öffentlichen Raum der Stadt München.

Nur wenige Schritte entfernt, von der Fassade des MEAG-Gebäudes am Oskar-von-Miller-Ring 18, leuchtet seit 2001 ihre "Lichtpartitur". Eine eigentlich vierteilige Arbeit mit gelben und roten Lichtstäben, die aktuell in keinem guten Zustand ist. Gut, dass die "Sichtlinien des Möglichen" im Innenraum installiert sind. So wird ihnen ein ähnliches Schicksal in jedem Fall erspart bleiben.

Brigitte Kowanz: Sichtlinien des Möglichen, Galerie der DG, Finkenstraße 4, bis 4. Mai, Di-Fr 12-18 Uhr, Künstlergespräch: Mi., 13. März, 19 Uhr

© SZ vom 23.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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