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In der "Landpartie", einem Verbund von neun Museen rund um München, widmet man sich derzeit dem Thema "Wasser". Die Kunsthäuser von Dachau und Ismaning haben unter dem Motto "Waterbound" eine Doppelausstellung eingerichtet

Von Sabine Reithmaier, Dachau / Ismaning

Die Positionen liegen extrem weit auseinander: Jenny Holzer denkt an Foltermethoden, Joanna Jesse an unbeschwertes Spiel in der schäumenden Gischt am Strand. Beide Mal geht es um Wasser, dem zentralen Thema der "Landpartie". So nennt sich der Verbund der neun Museen rund um München, der gerade eine breite Palette an Ausstellungen anbietet - das Spektrum reicht von naturkundlichen Präsentationen und kulturhistorischen Fragestellungen bis hin zur Kunst. Die Neue Galerie Dachau und das Ismaninger Kallmann Museum haben sich aus diesem Anlass sogar zu einer bemerkenswerten Doppelausstellung vereint. Gemälde, Fotografien und Installationen gewähren einen Einblick in die vielfältigen Auseinandersetzungen, die sich zeitgenössische Künstler mit Wasser liefern.

Sie tun dies dokumentierend, verfremdend, inszenierend. Die Fotokunst überwiegt, und die Dachauer Ausstellung fällt der Räumlichkeiten wegen kleiner aus als die Schau in Ismaning. Trotz der Übersichtlichkeit lassen sich nicht alle Künstler erwähnen, die versammelt wurden. Deutlich wird auf jeden Fall, dass das Verhältnis des Menschen zu seinem Grundstoff ein zwiespältiges ist: Entweder er hat zu viel oder zu wenig, es ist zu kalt, zu heiß, zu mächtig, zu gewalttätig, selbstverständlich nützlich, aber auch für Missbrauch geeignet. Jenny Holzer, die amerikanische Konzeptkünstlerin, verwendet für ihr Gemälde "Water board 0000139" US-Regierungsdokumente, die aus den Kriegen im Irak und Afghanistan stammen. Die Behörde gab diese Dokumente zwar frei, schwärzte zuvor aber viele Passagen, der Text ist nahezu unlesbar. Holzer hat die Akten mit dem Pinsel auf die Leinwand übertragen, geblieben sind weiße Balken und Flächen, unter denen es schwarz schimmert. Bis auf ein paar Zahlen ist nichts lesbar, Zensur ästhetisch dargestellt.

Subtiler als Holzer kommentiert der in Berlin lebende Schweizer Julian Charriere mit seinen Fotoarbeiten ein ebenfalls aktuelles Thema. Mit einem Gasbrenner brennt er Löcher in isländische Eisberge. Seine Interventionen sind zwar kaum sichtbar, aber die Assoziation zu schmelzenden Gletschern und globaler Erderwärmung stellt sich sofort ein. Charriere inszeniert sich in romantischer Caspar-David-Friedrich-Pose: Der Mann mit dem Brenner auf dem Gipfel des Eisbergs, um ihn herum tost das Meer, alles in düster dramatischen Grautönen - ungefährlich war die Klettertour im schwimmenden Eis sicher nicht.

Nathalie Grenzhausers doppeldeutige Fotos entstanden ebenfalls in Island. Auch hier Eisberge, drei Schlauchboote an einem kleinen Anleger, der aber unerreichbar ist, weil dessen Steg halb im Wasser versunken ist. Der kalten, unterschwellig bedrohlichen Ästhetik ist schwierig zu entkommen, während man Sven Johnes elf kleinformatige Aufnahmen auf den ersten Blick als belanglose, nur farblich unterschiedliche Urlaubsfotos wahrnimmt: Badende, die im Meer schwimmen oder am Strand verweilen. Bedeutung erhalten die harmlosen Bilder erst durch ihre Textzeile. Die Aufnahmen entstanden auf Lampedusa. Prompt glaubt man, Begebenheiten zu erkennen, die im Foto gar nicht enthalten sind. Auch Johnes große Seestücke wirken auf den ersten Blick unscheinbar: glatte oder gewellte Meeresflächen - sonst nichts. Doch der 1976 auf Rügen geborene Künstler hat systematisch die Orte im Meer fotografiert, an denen in den vergangenen zwei Jahrhunderten Frachtschiffe gesunken sind. Exakt vermerkt er die genaue Position des jeweiligen Unglücks auf den Bildern und ergänzt sie durch die Schilderung eines Überlebenden.

Ebenfalls dokumentarisch setzt Markus Heinsdorff an, der in einem Vorort São Paulos, also einer Stadt mit gravierenden Umweltproblemen und viel zu wenig sauberem Wasser, zehn Menschen porträtierte. Er lässt die abgebildeten Brasilianer über ihr Verhältnis zu Wasser erzählen. Keine Texte dagegen benötigt Hans-Christian Schink, den die zerstörende Wucht des Wassers fasziniert. Ein Jahr nach Erdbeben und Tsunami fotografierte der Erfurter die menschenleeren Ruinen an der japanischen Pazifikküste.

Da sind dann doch die Wassersprung-Studien der Fotokünstlerinnen Sabine Haubitz und Stephanie Zoche vergnüglicher. Sie konzentrieren sich auf den Moment, in dem der Körper ins Wasser eindringt. Die unter der Oberfläche positionierte Kamera hält alles gestochen scharf fest, Himmel und Bäume erscheinen verschwommen. Amüsant auch Cornelius Völkers Schwimmer, die sich in den Schlieren des Ölfarbenmeers fast auflösen. Auf die existenzielle Dimension des Wassers zielt Marina Abramović. Sie inszeniert sich in "Water study" (2012) als Hohepriesterin des Wassers, zelebriert ein Glas mit dem kostbaren Nass fast wie eine Ikone.

Hoffentlich wird Claudia Schneiders Installation nie Wirklichkeit. Sie hat eigens für die Neue Galerie Dachau eine "Personenwasserauffangmaßnahme" entwickelt: eine Installation aus Schirm, Gummistiefeln, Schläuchen und diversen Kanistern, die jegliche Körperflüssigkeit auffängt und recycelt. Fehlt nur noch der Mensch, der sich in diese Konstruktion hineinschnallen lässt.

Waterbound - Vom Leben mit dem Wasser, bis 26. Juli, Di bis So, 13 - 17 Uhr, Neue Galerie Dachau; bis 30. August, Di bis So, 14.30 - 17 Uhr, Kallmann-Museum Ismaning

© SZ vom 29.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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