Ausstellung:Gläserne Dialoge

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Wie sie eigentlich "gedacht" ist, lässt sich am schwersten bei Pae Whites Arbeit "Overserved" sagen. Denn die 52 ziegelförmigen Flaschen aus blauem Glas können wie eine Mauer beliebig im Raum installiert werden. (Foto: Andrea Rossett)

Die Ausstellung "Das Andere Sehen" in der Alexander Tutsek Stiftung zeigt Glaskunst, die voller Anspielungen ist

Von Evelyn Vogel

Es wirkt wie ein Statement, dass die gläsernen Sprechblasen aus Muranoglas von Alejandra Seeber gleich beim Eingang hängen. Als ob sie sich wie in einem stummen Dialog darüber unterhalten wollten, was hier alles anders ist. Anders ist, dass in der Ausstellung in der Alexander Tutsek Stiftung dieses Mal nur Glas und keine Fotografie gezeigt wird. Das Anderssein klingt zudem im Titel "Das Andere Sehen" an. Ein Wortspiel, das darauf hindeutet, dass man auf der Hut sein sollte, wenn man durch die Ausstellung geht. Was man sieht, kann auch ganz anders gedacht sein.

Wie sie "gedacht" ist, lässt sich am schwersten bei Pae Whites Arbeit "Overserved" sagen. Die 52 ziegelförmigen Flaschen aus blauem Glas können wie eine Mauer beliebig im Raum installiert werden. Hier schmiegen sie sich wie trunken über Eck an die Wand. Das könnte als Wortspiel mit "blau sein" als Statement gegen Trunkenheit gelesen werden. Das wäre umso irritierender, als das formgeblasene, verspiegelte Glas aus der Mayer'schen Hofkunstanstalt ein Abbild von Perfektion ist. Mehrdeutig ist Raimund Kummers Arbeit "Sternengewölbe", bei dem sich Sterne unter und neben einer Glaskuppel tummeln. Doch von einem strahlenden Firmament ist das Ganze weit entfernt. Hart und kalt liegen sie da. Bräunlich schimmernder Stahlguss. Die transparente gläserne Kuppel hat die Form einer Brust oder eines Auges, in die die Sterne sich hineinschieben. Das hat etwas Bedrohtes. Die Glaskuppel wirkt nicht als beschützendes Gewölbe, sondern als verletzliches Körperteil.

Auch die rote Sterneninstallation von Kiki Smith ist kein so friedliches Bild wie es zunächst scheint. Wie ein kosmischer Teppich breiten sich die Objekte im Seitenkabinett der Jugendstilvilla aus. Aber je länger man die stacheligen Dinger ansieht, desto aggressiver wirken sie. Und auch der Titel ist doppeldeutig zu verstehen. Ist "Mine" deutsch zu lesen oder englisch und dann als Substantiv oder Pronomen? Bei der in Nürnberg geborenen Amerikanerin bleibt ein Interpretationsspielraum. Mona Hatoums "Drowning Sorrows", eine Installation aus geschnittenen Glasflaschen, tragen die Verletzlichkeit schon im Titel. Wie ein Strudel Ertrinkender wirbeln sie umeinander. Auch Ki-Ra Kims Kranz aus gläsernen Federn wirkt zwar auf den ersten Blick recht kompakt, ist aber überaus fragil und zerbrechlich. Das gilt auch für Kiki Smiths in der Mayer'schen Hofkunstanstalt entstandene filigrane zweiteilige Glasmalerei "Sainte Geneviève and the Deer".

Am interessantesten in der Ausstellung ist der kommunikative Aspekt innerhalb der Arbeiten. So wie die Seebers "Bubbles" zum Auftakt scheinen sich auch die beiden blutroten gläsernen Blasen oder Tropfen im Korb daneben auszutauschen - eine weitere Arbeit von Mona Hatoum. Von Tony Cragg sind zwei Arbeiten zu sehen, von denen die "Listeners" hübsch doppeldeutig wirken: Mit ihren Parabolantennen wie aus dem Kalten Krieg sind sie Zuhörer der besonderen Art. Und das Paar aus gläsernen Würfeln daneben scheinen darüber innig in einen Schwatz vertieft. Das könnte man auch über Raimund Kummers Rauminstallation "Gespräch unter drei Augen" sagen, bei dem überdimensionale, aber fast naturalistisch wirkenden Glasaugenkörper am Boden liegen. Die Sitzbänke aus Marmor gegenüber laden zum Platz nehmen ein - um auch als Besucher diesem stummen Dialog zu lauschen.

Das Andere Sehen . Arbeiten in Glas von Tony Cragg, Mona Hatoum, Ki-Ra Kim, Raimund Kummer, Alejandra Seeber, Kiki Smith, Pae White, Alexander Tutsek Stiftung, Karl-Theodor-Straße 27, bis 29. Juni, Di-Fr 14-18 Uhr; nächste Führung: Do., 5. April, 16 Uhr; Künstlergespräch mit Raimund Kummer: 26. April, 19 Uhr; Anmeldung unter 552730611

© SZ vom 31.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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