Ausstellung:Faden und Formen

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Haleh Redjaian verwandelt Teppiche in schwebende Kunstwerke

Von Sabine Reithmaier, Ingolstadt

Die Teppichweberfamilie in Sirjan war anfangs skeptisch. Naturweiße Teppiche - wer sollte sich denn so etwas Langweiliges an die Wand hängen? Doch Haleh Redjaian blieb hartnäckig, auch als die Weber in der südiranischen Provinz Kerman auf Vorauskasse bestanden, weil sie den Gedanken so absurd fanden. Was sie inzwischen von den feinen Bearbeitungen halten, die Redjaian ihren Teppichen angedeihen lässt, ist im Museum für Konkrete Kunst zwar nicht zu erfahren. Doch die Verknüpfung zwischen der klassischen iranischen Webtradition und der streng reduzierten, eindeutig westlich orientierten Sprache der Künstlerin funktioniert gut.

Die Deutsch-Iranerin, 1971 in Frankfurt am Main geboren, behandelt die Teppiche wie Leinwände. Statt mit Farben malt sie mit Fäden, bestickt das Gewebe mit Linien aus straff gespannter Nähseide oder nutzt Siebdrucke, um Kreise, Rechtecke, Rauten oder Trapeze zu platzieren. Dass weiße Teppiche schwieriger zu weben sind als farbenfroh gemusterte, ist auch eine Erkenntnis, die man mitnimmt. Ihre Unregelmäßigkeiten verhindern die mathematische Perfektion der geometrischen Formen. Je nach Perspektive und Lichteinfall scheinen sich auch die Fäden zu verdichten und wieder zu lösen, die Farben zu changieren.

Extra für Ingolstadt hat Redjaian auch zwei großformatige Wand-Installationen gefertigt. 800 Nägel und 200 Meter Garn waren für das weiße Dreieck im weißen Rechteck nötig, eine ungeheure Präzisionsarbeit, die locker vor der Wand schwebt und trotz aller Exaktheit wunderbar flüchtig bleibt. Das Interesse am Unfertigen, Vagen charakterisiert auch die Zeichnungen, oft auf kariertem Papier. Dass die Karos oft nicht vollständig ausgefüllt, manche der abstrakten Muster leicht versetzt sind, der ungleichmäßige Bleistiftstrich ihnen Individualität verleiht, entdeckt man erst nach längerem Hinsehen. Unwillkürlich denkt man aber sofort an die Ornamentik orientalischer Teppiche.

Kuratorin Teres Rohde hat Redjaians Arbeiten raffiniert mit Werken aus der Museumssammlung kombiniert. Viele waren lang im Depot verschwunden, andere sind Neuzugänge wie die farbenfrohen Gemälde der nahezu unbekannten Constance Irene Murdock (1957-2011). Drei Aspekte leiteten die Auswahl: Entweder entdeckte Rohde farbliche Korrespondenzen oder ähnliche Materialien - phantastisch Jesús Rafael Sotos schillerndes Gebilde "Escritura ritmo fino". Oder die Bezüge ergaben sich aufgrund verwandter Formensprache. Mit der Kraft von Erich Buchholz, Zdeněk Sýkora oder Piero Dorazio können Haleh Redjaians Arbeiten freilich nicht mithalten. Aber trotzdem: eine sehenswerte Verknüpfung.

Verknüpft. Haleh Redjaian und die Sammlung, bis 12. Juni, Museum für Konkrete Kunst Ingolstadt

© SZ vom 31.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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