Ausstellung:Der Stein der Leisen

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Andreas Blanks Objekte in der Reihe "Artists Quarterly" bei Sotheby's

Von Evelyn Vogel, München

Schon im Eingangsbereich beginnt der Akt der Täuschung. Hat da jemand seinen Aktenkoffer stehen lassen und seine Schuhe gleich dazu? Und diese Hemden im Siebzigerjahrelook. Strahlend weiß und fein gefaltet liegen sie täuschend echt auf einem Koffer oder in einer Schachtel. Doch sie sind ebenso aus Stein wie die Glühbirne, die aus der Wand herausragt, die Aktenkoffer, die Schachteln, die Herrenschuhe und die Soldatenstiefel mitsamt dem Karton, in dem sie stehen. Andreas Blank hat sie aus verschiedenen Steinen gearbeitet. Skulpturale Alltagsgegenstände, oft gesellschaftskritisch aufgeladen. Und derzeit zu sehen in der Reihe "Artist Quarterly" bei Sotheby's am Odeonsplatz.

Wenn Blank anfängt, über seine Ausstellung zu erzählen, nimmt er die Zuhörer mit auf eine Reise durch verschiedene Kontinente. Denn nicht nur jedes Objekt hat seinen Hintergrund, auch jeder Stein hat seine Geschichte. Der weiße Alabaster aus dem italienischen Volterra: Berühmt wegen seiner Reinheit, aber jahrelang nicht mehr zu haben, weil der Steinbruch geschlossen war und die Steinmetze das Material aus Spanien importierten, um der Nachfrage der Souvenirjäger nachzukommen. Ein Besuch in der toskanischen Kleinstadt und eine Wette mit einem alten Mann verschafften ihm vor Jahren nicht nur einmalig ein Stück. Daraus resultierte auch die Wiederinbetriebnahme der alten Steinbrüchen und einem seither stetig fließenden Nachschub. Oder der schwarze Serpentinit aus Simbabwe: Nach langer Suche war ein Fundort in der Wüste lokalisiert. Doch es bedurfte noch eines großen Erfindungsreichtums, bis der Stein aus dem Boden geholt, in die Hauptstadt gebracht und nach Deutschland gelangt war. Dass diese und andere Steine traditionell für die Verherrlichung von Göttern, Siegern und anderen hehren Gestalten auf Sockeln und Podesten benutzt wurden, zeigt die Fallhöhe, die Blank mit seiner ironisch gebrochenen Bildhauerkunst beschreibt.

Verbunden mit den Objekten in Trompe-l'œil-Manier ist eine leise Kapitalismuskritik. Hemd, Aktenkoffer und Herrenschuhe sieht Blank als die "Uniform des modernen Kriegers". Ein biografisches Moment verbirgt sich hingegen hinter den ausgetretenen Stiefeln in der Schachtel. Blank, der aus dem fränkischen Ansbach stammt, in Karlsruhe und London studiert hat und in Berlin und London lebt, verarbeitete damit die Erinnerung an seinen Großvater, der in solchen Stiefeln im Zweiten Weltkrieg in russische Gefangenschaft geriet. "Kein Denkmal" wollte er ihm setzen, das war ihm wichtig. Deshalb auch kein Sockel, sondern die Schachtel aus braunem Solnhofener Kalkstein, in der sie wirken, als hätte man sie "auf dem Dachboden vergessen", wie Blank es trefflich beschreibt. Auch Wandarbeiten sind in der Ausstellung zu sehen. Die Bewegungen einer Stepptänzerin auf Schiefertafeln nach choreografischen Vorgaben Blanks etwa sowie reliefartige Bilder, die wie die Objekte mit der Lust und der List der Täuschung arbeiten.

Die Ausstellung "Reverse Metaphysik 2" von Andreas Blank ist die fünfte Ausstellung in der Reihe "Sotheby's Artist Quarterly". Nach dem Vorbild des seit 2001 in Wien existierenden Formats lädt Nicola Keglevich, Direktorin der Münchner Niederlassung, seit 2018 vier Künstler pro Jahr ein. Damit bietet das Auktionshaus Künstlern, die in der Regel nicht älter als 40 Jahre sind und deren Arbeitsmittelpunkt in Deutschland liegt, Ausstellungsmöglichkeiten. Ohne eigenes Profitinteresse will man sie "mit Marktmechanismen vertraut machen", wie Keglevich sagt. Sie müssen die Ausstellung selbst einrichten, Preise festlegen und Verkaufsgespräche führen. Nur bei den Einladungskarten und den Vernissagen greift ihnen das Auktionshaus unter die Arme. Bislang waren Gemälde und Wandobjekte von Maximilian Prüfer, Andreas Zagler, Hannes Heinrich und Neringa Vasiliauskaite zusehen. Mit Blank hat man sich erstmals einen Bildhauer in die Räume am Odeonsplatz geholt. Er liegt zwar knapp über der Altersgrenze und ist eigentlich auch schon etwas zu bekannt, aber diese kleine Täuschung verzeiht man dem Format allemal.

Andreas Blank: Reverse Metaphysik 2 , Sotheby's Artist Quarterly, Odeonsplatz 16, bis 29. März, Montag bis Freitag 9-17 Uhr

© SZ vom 28.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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