Ausstellung:Der Schriftsteller und sein Schnüffler

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Durch 23 Romane ließ Manuel Vázquez Montalbán seinen Ermittler Pepe Carvalho die Geschichte Spaniens begleiten - in einer Ausstellung im Instituto Cervantes setzen sich Künstler mit dem Werk auseinander

Von Martina Scherf

Pepe Carvalho, der Zyniker und sentimentale Verführer, Gourmet und leidenschaftliche Humanist: Kaum eine Romanfigur wie der Privatdetektiv aus Barcelona hatte einen vergleichbaren Einfluss auf die Kriminalliteratur - nicht nur in der spanischsprachigen Welt. Erschaffen hat ihn Manuel Vázquez Montalbán im Jahr 1972, drei Jahre vor Francos Tod. Zusammen sind sie gealtert, der Schriftsteller und sein Schnüffler, der seine Nase am liebsten dort hinein steckt, wo es den Mächtigen am wenigsten passt. 23 Romane lang, bis zu Montalbáns plötzlichem Herztod im Jahr 2003, haben sie die Wandlung Spaniens von der Franco-Diktatur zu einer modernen europäischen Demokratie verfolgt, mit all ihren schönen und schwierigen Seiten.

Manuel Vázquez Montalbán war aber längst nicht nur Krimischriftsteller, der diese Gattung in Spanien überhaupt erst populär machte. Er gehört zu den großen Intellektuellen des Landes, saß für seine öffentliche Kritik unter Franco im Gefängnis und hat bis zu seinem Tod rund 8000 Zeitungsartikel, 500 Gedichte, an die 20 Essaybände und fünf Romane neben den Carvalho-Krimis hinterlassen. Seine Literatur ist ein Prisma, durch das die Spanier einen klaren Blick auf die Verwerfungen in ihrer Gesellschaft richteten. Kein Wunder also, dass bekannte bildende Künstler des Landes dem Aufruf, zu einer Hommage an den Literaten beizutragen, ohne Zögern gefolgt sind. Das Ergebnis präsentiert das Instituto Cervantes in der Residenz in einer Wanderausstellung, die durch Europa tourt. 40 Maler schufen ein Werk zu einem Carvalho-Buch ihrer Wahl. Die Ausstellung ist nicht nur ein Überblick über die zeitgenössische spanische Kunstszene, sondern auch eine Revue durch die Themen, die Montalbán umtrieben: Linke Grabenkämpfe, die alten Eliten, die neue Rechte, Immobilienspekulanten und korrupte Politiker, die Geldmaschine FC Barcelona, alles, was die neue Gesellschaft nach oben spült, taucht in den Carvalho-Romanen auf - und natürlich die Liebe des Detektivs zu schönen Frauen und gutem Essen.

Es beginnt mit "Yo maté a Kennedy" ("Ich tötete Kennedy"), alle zwei Jahre folgt ein Buch, und wer die Geschichten kennt, wird sich in der chronologischen Reihe der Bilder an vieles erinnern: Da ist die rituelle Bücherverbrennung, mit der Carvalho seine Wohnung erwärmt - und der Autor ironische Distanz zum eigenen Wirken beweist. José Luis Pascual hat die Szene zu einem Kaminfeuer inspiriert. Der "Krieg um Olympia" (1993), als Carvalho miterlebt, wie Barcelona ohne Rücksicht auf Verluste aufgehübscht wird: Lleo Lluis hat dazu einen blauen Streifen über einen weißen Hintergrund gelegt, auf dem sich Strukturen nur andeuten. Denke man sich, was man wolle: die Öffnung zum Meer, schön und zugleich radikal, oder die Spur der Planierraupe?

Manolo Quejido treibt ein sarkastisches Spiel mit den nationalen Symbolen: auf einer stilisierten Flagge, rot und gelb, prangen Franco-Adler und Königskrone und die Silben "Es-pa-ná". Es' pa' na' heißt umgangssprachlich: Es nützt nichts. Die Geschichte dazu, "Roldan, ni vivo ni muerto" (1994), spielt auf den wahren Fall des Ex-Chefs der Guardia Civil an, der Staatspolizei mit strengem Ehrenkodex. Roldan floh - wegen Korruption angeklagt - nach Thailand, landete am Ende aber doch hinter Gittern. Ein Riesenskandal, der weite Kreise zog - und selbstverständlich ein Fall für Pepe Carvalho. Als der Detektiv von Machenschaften in Barcelona genug hat, reist er um die Welt, Italien, Griechenland, Israel, Afghanistan, wo ihn die Weltpolitik einholt. ("Milenio Carvalho", 2004 postum in zwei Bänden erschienen). Santiago Idañez hat ein eindringliches Porträt dazu geschaffen, in seiner bewussten Unschärfe irritierend und herausfordernd. Und dann finden sich natürlich noch diverse Anspielungen auf die größte Leidenschaft des Detektivs: die katalanische Küche. Der Zeichner und Bildhauer Miquel Navarro und die Foto- und Videokünstlerin Fiona Morrison haben sich dem schwarzen Reis gewidmet - ein Aphrodisiakum laut Carvalho, der ansonsten auch gerne Kartoffeleintopf mit Chorizo kocht oder Kalbfleisch in Austernsauce und nicht nur das Verbrechen, sondern auch das Fastfood in Barcelona bekämpft.

Viele Krimiautoren ließen sich von Montalbán beeinflussen. Der Italiener Andrea Camilleri setzte ihm mit seinem Comissario Montalbano sogar ein Denkmal. Zwei Carvalho-Verehrer, die ihre eigenen Wege gehen, stellen am Dienstag ihre neuen Bücher im Instituto Cervantes vor: Rosa Ribas ("Falsche Freundin", "Das Flüstern der Stadt"), und Carlos Zanón ("Die Hälfte von allem"). Die Lesung beginnt um 19.30 Uhr (spanisch-deutsch).

Auf den Spuren von Pepe Carvalho, Instituto Cervantes, Alfons-Goppel-Straße 7, bis 15. Mai, Mo bis Do, 10-18 Uhr, Fr, 10-14 Uhr; Lesung am Dienstag, 5. Mai, 19.30 Uhr

© SZ vom 05.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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