Auktion:Stars der Sterne

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Sotheby's versteigert in New York Fotos, Raketen-Modelle, Mondstaubbeutel und andere Memorabilia aus der euphorischen Ära der bemannten Raumfahrt.

Von Ulrich Clewing

Wer mit dem Smartphone aufgewachsen ist, dem muss man vielleicht erklären: Es gab früher Fernsehgeräte, die keine Computer waren. Sondern Möbelstücke, mit denen man Filme und Nachrichten in Schwarz-Weiß empfing. Und weil damals längst nicht jeder einen Fernseher besaß, lieh man sich die Apparate zu besonderen Ereignissen beim Elektrofachgeschäft um die Ecke aus. So ein Ereignis fand am 20. Juli 1969 statt. Millionen saßen damals rund um die Welt auf ihren Sofas, um live Zeugen eines der größten Abenteuer der Weltgeschichte zu werden.

Seitdem sind Apollo 11, die Mondlandung, Meldungen an "die Zentrale Houston", Neil Armstrongs berühmte Worte und das Foto von Buzz Aldrins Fußabdruck ins kollektive Gedächtnis von Generationen eingegangen. Und jeder, der am 20. Juli 1969 im Wohnzimmer auf den entscheidenden Moment wartete, erinnert sich noch heute daran, zumindest vage.

Die New Yorker Niederlassung von Sotheby's bietet nun leicht ergrauten Babyboomern die Gelegenheit, einen Teil ihrer inzwischen historisch gewordenen Kindheit zu erwerben. Auf den Tag 48 Jahre nach dem epochalen Ereignis, am 20. Juli 2017, werden dort unter dem Titel "Space Exploration" 173 Gegenstände versteigert, die alle auf die eine oder andere Art mit der bemannten Raumfahrt zu tun haben, von signierten Fotos der Astronauten bis zu deren Raumanzügen, von Raketenmodellen, die bei vorbereitenden Präsentationen verwendet wurden, bis zu zeitgenössischen Karikaturen und den ersten Fotografien vom Mond aus der Mitte des 19. Jahrhunderts.

Laut Sotheby's stammen die Artefakte, Souvenirs und technischen Fabrikate vor allem aus zwei Quellen: von Mitarbeitern der Weltraummissionen, speziell den Astronauten und deren Familien. Und von zwei Auktionen von 1993 und 1996, mit denen Sotheby's selbst Geschichte geschrieben hat. Damals brachte man Überbleibsel der sowjetischen Sojus-Raumexpeditionen unter die Leute.

Für letztere brauchte es die wilde Zeit des Umbruchs im öffentlichen Leben der zerfallenden UdSSR. Um an die Nasa-Objekte zu gelangen, war ein Gesetz nötig, das Präsident Barack Obama im Oktober 2012 unterzeichnete. Es regelte, dass sämtliche Gegenstände und Erinnerungsstücke, die den Astronauten und übrigen Mitwirkenden an den Mercury-, Gemini- und Apollo-Programmen überreicht worden waren, in deren rechtmäßigen Besitz übergegangen sind.

Die Missionen ins All waren Wettläufe der Systeme und Kämpfe von Gut gegen Böse

Dass ein international operierendes Auktionshaus wie Sotheby's sich in die Niederungen des Handels mit Memorabilia und Kuriosem begibt, kommt eher selten vor. Im September 2015 hielt die Abteilung Books & Manuscripts in London den "Rock & Pop"-Sale ab. Der Management-Vertrag der Beatles mit Brian Epstein aus dem Jahr 1962 brachte damals eine sechsstellige Summe, und eine hellblaue Fender Stratocaster von Eric Clapton erzielte mit 45 000 Pfund ein sehr gutes Ergebnis. Diesen Herbst wird das Haus den Nachlass der 1967 verstorbenen Schauspielerin Vivian Leigh, der Scarlett O'Hara aus "Vom Winde verweht" zum Aufruf bringen.

Weltraum-Fotos der Nasa wiederum kamen in den letzten Jahren, vor allem dank des Münchner Galeristen Daniel Blau, immer mal wieder auf den Markt. Trotzdem muss man bei vielen Dingen aus der "Space Exploration"-Auktion zwei Mal hinsehen, um ihren Rang und ihre Bedeutung zu erfassen.

Da ist zum Beispiel dieses Blatt Papier, auf dem vertikale Linien zu sehen sind und ein paar unverständliche Abkürzungen und Anweisungen ("verify: potable H2O HTR - off" und "Select comm normal lunar configuration"). Es gehört zum Flugplan von Apollo 11, stammt aus dem Besitz von Buzz Aldrin, und ist auf 20 000 bis 30 000 Dollar geschätzt. Auf einem anderen Blatt sind, von eins bis fünfzig, Namen von Sternen aufgelistet, einmal numerisch und einmal alphabetisch. Auch "Earth" ist darunter und beim Stern Aldebaran gab es in der alphabetischen Spalte einen Schreibfehler, der handschriftlich ausgebessert wurde. Das unscheinbare, mit der Schreibmaschine abgetippte Stück Papier sollte den Astronauten nach der Landung auf dem Mond die Navigation erleichtern, seine untere Schätzung liegt bei 25 000 Dollar.

Es ist die Aura der Authentizität, die diesen auf den ersten Blick kunstlosen, unspektakulären Ringbuchseiten Wert verleiht. Und man darf nicht vergessen, die politische Dimension der ganzen Unternehmung war immens. Die Weltraumexpeditionen der Russen und Amerikaner waren nicht einfach nur großartige, verblüffende Ingenieursleistungen. Es waren Wettläufe der Systeme, bei denen die Guten gegen die Bösen antraten, mit wechselnden Rollen, je nach Herkunft und Standort. An gemeinsame Missionen wie das Apollo-Sojus-Testprojekt von 1975 oder später die Forschungen auf der russischen Weltraumstation ISS war in den Sechzigerjahren noch nicht zu denken. Mit dem ersten bemannten Weltraumflug war Runde eins in diesem Wettstreit an die Sowjets gegangen, was ihnen die westliche Welt eine Weile sehr übel nahm. Erst die geglückte Apollo-11-Mission der Amerikaner stellte den Glauben an die eigene Überlegenheit wieder her.

Eines der Top-Lose der Sotheby's-Auktion am 20. Juli ist deshalb ein unauffälliger Beutel aus Kunststofffaser, ungefähr so groß wie eine DIN-A4-Seite, der sich mit einem Reißverschluss öffnen lässt. Es handelt sich dabei um jenes Säckchen, das Neil Armstrong in einer Außentasche seines Raumanzuges mit sich trug, um Staub von der Mondoberfläche einzusammeln und zurück zur Erde zu transportieren.

Mit diesem Beutelchen hat es noch in anderer Hinsicht eine besondere Bewandtnis: Obwohl es bei einer der zentralen Aufgaben der Apollo-11-Besatzung eine Hauptrolle spielte, wäre es beinahe in den Tiefen der Nasa-Archive verloren gegangen. Erst vor zwei Jahren tauchte er bei einer Auktion von Asservaten der Raumfahrtbehörde wieder auf, ohne dass damals jemand von seinem Vorleben gewusst hätte. Der Käufer jedoch schöpfte Verdacht, ließ das Säckchen untersuchen und sich von der Nasa die Echtheit bestätigen. Sogar Reste von Mondstaub wurden darin noch gefunden. Nun soll der Beutel zwischen zwei und vier Millionen Dollar bringen.

Ebenfalls zu den Spitzenlosen der Versteigerung zählt jener Raumanzug mit dem charakteristischen blauen runden Nasa-Aufnäher auf der Brust, der während der dem Apollo-Programm vorangegangenen Gemini-Expeditionen getragen wurde. An manchen Stellen, den Schultern, der rechten Hüfte, dem rechten Knie und linken Knöchel ist die silbern schimmernde Schutzschicht aus Aluminium abgerieben. Ansonsten präsentiert sich der Overall, den um 1962 der Astronaut Gus Grissom trug und der später ins National Air and Space-Museum kam (das ihn 1980 ausmusterte), in hervorragendem Erhaltungszustand.

Unter den vielen zeitgenössischen, oft mit Autogrammen und launigen Bemerkungen der Dargestellten versehenen Fotografien, befindet sich auch das wohl bekannteste aller Astronauten-Fotos. Aufgenommen hat es Neil Armstrong: Es zeigt Buzz Aldrin, der das Bild unterschrieben hat, auf der "Tranquility Base" am Tag der Mondlandung. Und in dem Visier von Aldrins Helm spiegeln sich in magisch goldenem Ton Armstrong selbst, das Mondlandegerät und das unerbittlich tiefe Schwarz des Kosmos. Dafür ist dieser Abzug fast ein Schnäppchen: Die Schätzung beträgt 2500 bis 3500 Dollar.

Dass all diese Weltraumexpeditionen dramatische, gefährliche Unternehmungen waren, beweist eine weitere Sammlung von Ringbuchblättern. Die 352 Seiten mit handschriftlichen Vermerken der Benutzer und drei nachträglich angefertigten Karikaturen sind auf 30 000 bis 40 000 Dollar angesetzt. Es ist der Flugplan der katastrophalen Apollo-13-Mission, den eine erleichterte Crew dem Chefflugplaner Turnage Robert Lindsey als Dankesgeschenk überreichte. Als Kinogänger weiß man: Die Geschichte hätte auch anders ausgehen können.

© SZ vom 15.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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