Architekturgeschichte:Wo weiß Walhalla auf dem Hügel ruht

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Adrian von Buttlar gibt den Cicerone zum Werk Leo von Klenzes, und Carl Laubin versammelt alle seine Bauten auf einem Bild.

Von Gottfried Knapp

Schöner könnten sich die Anstrengungen eines Autors, der sich mit dem architektonischen Werk eines Architekten beschäftigt, und die Bemühungen eines Malers, der ganz unabhängig davon dieses Werk möglichst exakt und vollzählig reproduzieren will, nicht ineinanderfügen als in dem Panoramabild, das der 1947 in New York geborene, seit vielen Jahren in England lebende Architekturmaler Carl Laubin exakt in jenen Monaten gemalt hat, in denen der deutsche Kunsthistoriker Adrian von Buttlar seinen Führer zu den Bauten von Leo von Klenze verfasst hat.

Und so findet sich am Ende der mustergültig handlichen Gesamtwürdigung aller Klenze-Architekturen jenes Gemälde mit dem Titel "Klenzeana", das sich wie eine schlüssige Aneinanderreihung aller zuvor im Buch charakterisierten und mit Farbabbildungen vors Auge gehobenen Bauten genießen lässt.

Wie in seinen früheren Capriccios, die jeweils das Gesamtwerk eines italienischen oder englischen Baumeisters zusammenfassten, hat Laubin auch bei seiner Hommage an Klenze die Einzelobjekte so in einer Hügellandschaft verteilt, dass der zugeteilte Standort Hinweise gibt auf die reale Situation, in der sich das Bauwerk heute befindet. So erhebt sich die in Baden-Baden auf dem Michaelsberg errichtete Stourdza-Kapelle am linken Bildrand sachgemäß auf einem Hügel. Dass der Weg dahinter zum bedeutendsten Bauwerk hinaufführt, das Klenze außerhalb Deutschlands errichten durfte, zum Museumstrakt der Eremitage in St. Petersburg, das zeigt, wie genüsslich Laubin im Bild verschränkt, was in der Wirklichkeit streng getrennt ist.

In der rechten Hälfte unseres Gemäldes sind vorwiegend Bauten aus München und Bayern übereinandergeschichtet. Der Blick schweift vom Festsaalbau der Münchner Residenz und vom Hofgarten ganz unten über die Glyptothek, die Propyläen, das Postgebäude und die Ruhmeshalle aus München heraus hinüber zur Befreiungshalle bei Kelheim, zu den Festungsbauten in Ingolstadt und schließlich hinauf zum Tempelbau der Walhalla und zur Wallfahrtskirche St. Salvator auf dem Felsen bei Donaustauf, die Klenze klassizistisch überformt und hoch über der Donau mit der Walhalla in Beziehung gesetzt hat. Wer Buttlars Führer gut studiert hat, wird auf Laubins Bild aber noch viele andere ungewöhnliche Baulichkeiten entdecken: etwa die technisch kühne Brücke, mit der Klenze den Ludwig-Donau-Main-Kanal über die Schwarzach hinweggeführt hat.

Ein für Kenner klassizistischer Architektur besonders spannendes Kapitel konnte Buttlar in seinen Detailbeschreibungen der für Laien irgendwie gleich aussehenden Wohnbauten an der Münchner Ludwigstraße eröffnen. Klenze hat die aus Italien herbeizitierten Fassadenmuster - auch im Bild sind sie sauber nebeneinander aufgereiht - von Haus zu Haus so subtil variiert, dass man nach Lektüre des Textes staunend Beifall zollt. Als Experte für das Baugeschehen um 1800 konnte Buttlar in seiner Einleitung den Entwicklungsweg Klenzes zu einem der führenden Baukünstler seiner Epoche pointiert zusammenfassen. Und in dem als Nachwort angehängten Essay charakterisiert er die Besonderheiten von Klenzes historistisch-romantischem Klassizismus.

Adrian von Buttlar: Leo von Klenze. Führer zu seinen Bauten. Deutscher Kunstverlag, Berlin 2016. 288 Seiten, 290 Abb., 22 Euro.

© SZ vom 20.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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