Architektur:Mehr Offenheit, mehr Öffentlichkeit

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Bei einem Gesprächsabend stellt der britische Architekt David Chipperfield seine Pläne für die Umgestaltung des Hauses der Kunst vor und überrascht mit Konkretem und Kontroversem

Von Jürgen Moises

Das Haus der Kunst soll zur Stadt und zum Englischen Garten hin geöffnet werden und in Zukunft weit mehr als eine Kunsthalle sein. Dies war im vergangenen Juni in einem Interview des Direktors Okwui Enwezor mit der Süddeutschen Zeitung über die geplanten Sanierungsarbeiten zu erfahren. Seitdem stand natürlich die Frage groß im Raum: Wie wird die von David Chipperfield Architects dafür geplante Lösung konkret aussehen, und wann geht die vage für 2017 oder 2018 angesetzte Sanierung endlich los? Ein Gesprächsabend im Haus der Kunst mit David Chipperfield unter dem Titel "Renovate/Innovate" versprach auf diese Fragen nun endlich die Antworten. Und tatsächlich war vom britischen Stararchitekten über seine Sanierungspläne erstaunlich Konkretes zu hören.

So will Chipperfield etwa die Baumreihe vor dem Haus der Kunst entfernen lassen und die alte Treppensituation rekonstruieren. Das heißt, dass dann auch die knapp eineinhalb Meter hohe Mauer verschwindet, die das Gebäude seit Jahren nach vorne hin einzäunt. Das Gleiche gilt für den Pkw-Parkplatz zum Englischen Garten hin und ebenfalls für einige der dort in der Nachkriegszeit gepflanzten Bäume. Damit sich hier wie auch früher schon eine Sichtachse zum Garten herstellen lässt. Überhaupt die Sichtbarkeit des Gebäudes zu erhöhen und endlich den "Vorhang" wegzuziehen, hinter dem man es aus politisch-historischen Gründen seit Jahrzehnten "versteckt" hält: Das ist das Ziel, das Chipperfield mit diesen Maßnahmen verfolgt.

David Chipperfield würde gerne den Vorhang wegziehen. (Foto: Robert Haas)

Ein Vorhaben, das sicherlich noch für Kontroversen sorgt. Aber, das hatte auch der bayerische Staatsminister für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst, Ludwig Spaenle, in seiner Auftaktrede zu Beginn des Gesprächsabends gesagt: Manchmal müsse man eben "radikaler" denken als bisher. Und dass er Chipperfields Lösungsvorschlag unterstützt, das machte der Staatsminister deutlich. Den Museumsdirektor Okwui Enwezor, der das Gespräch mit Chipperfield leitete, weiß dieser ebenfalls hinter sich. Denn wie sollte eine Alternative, so Enwezor, aussehen? Dass man das historisch belastete Gebäude irgendwann sprengt? Das würde seiner Meinung nach nur bedeuten, dass man das Gebäude selbst für seine Vergangenheit verantwortlich macht.

Aber, da waren sich Enwezor und Chipperfield außerdem einig: Häuser sind keine eigenständigen Subjekte, und deshalb sei auch eine ehemalige "Nazi-Architektur" nicht per se "kontaminiert". Ihre Bedeutung entstehe stattdessen in der Gegenwart und zwar dadurch, was wir im Hier und Heute mit und in ihr anstellen. "Wir", das heißt für das Haus der Kunst: dessen Leiter und die Mitarbeiter, die Künstler, aber vor allem auch die Besucher des Museums. Denn, auch darin herrschte zwischen Enwezor und Chipperfield Einigkeit: Ein Museum der Gegenwartskunst muss heute ein "sozialer und lebendiger Ort" sein. Es muss auch über die Kunst hinaus Aktivitäten bieten, die nicht nur für Touristen, sondern in erster Linie für die Stadtbewohner "relevant" sind.

Chipperfield würde gerne das Haus der Kunst wieder annähernd so präsentieren wie auf diesem Foto von 1938. (Foto: Knorr+Hirth)

Das heißt nicht, dass man die Vergangenheit deshalb verleugnet, aber dass man sich klar in der Gegenwart positioniert. Die zentrale Losung von Chipperfield heißt deshalb auch für die Innenräume: mehr Offenheit, mehr Öffentlichkeit. Eine zentrale Rolle soll hier der Terrassensaal spielen, der die letzten Jahre eigentlich nur als riesiger Transitraum zwischen Mittelhalle und Goldener Bar gedient hat. Dieser soll zu einer Lounge umfunktioniert und komplett zur Terrasse hin geöffnet werden. Die konkrete Nutzung sei dann variabel. Auf einem Beispielbild sah man Besucher an mit Blumen dekorierten Tischen in einer Art Restaurantsituation. Zusätzlich sollen auch die oberen Balkone im Terrassensaal geöffnet werden, damit der Raum noch offener und heller wird.

Die oberen Balkone zu öffnen, das soll aus denselben Gründen auch in der Mittelhalle passieren. Diese war für längere Zeit ja ebenfalls nur ein großer, reiner Durchgangsraum, wird seit ein paar Jahren aber mit wechselnden Kunstinstallationen bespielt. Einem "nutzlosen" Raum ein neues Leben einzuhauchen, das ist eine Strategie, die Chipperfield tatsächlich auch schon in anderen Projekten eingesetzt und die sich dort bewährt hat. Beispiele für Museums-Neu- oder Umbauten des Architekten, den man in Deutschland vor allem für seinen Wiederaufbau des Neuen Museums in Berlin kennt, wurden zusammen mit den Umbauplänen für das Haus in einem einleitenden Vortrag vorgestellt. Für den Terrassensaal erscheint Chipperfields Umnutzungsstrategie auf jeden Fall höchst sinnvoll.

Auch die vordere Eingangshalle soll durch kleinere Eingriffe "lebendiger" gestaltet werden, ansonsten aber rein der Infrastruktur vorbehalten bleiben. Anders beim Ort der Veranstaltung, der Universitätsbühne im Westflügel. Hier sollen in Zukunft noch weit mehr Veranstaltungen stattfinden, wie Konzerte, Vorträge oder Konferenzen. Dafür, so die Idee, soll an der Westseite ein zusätzlicher separater Eingang entstehen.

Die Ausstellungsräume sollen dagegen nicht verändern werden, weil sie laut Chipperfield "perfekt" und zudem als klassische Galerieräume in der Tradition des 19. Jahrhunderts nicht "kontaminiert" sind. Dafür müssen sie wie alle anderen Räume des Museums grundlegend renoviert werden. Wann die Sanierung konkret nun losgehen wird, das war an diesem Abend noch immer nicht zu erfahren. Denn zuerst müssen die von Chipperfield erarbeiteten Vorschläge die für Ende September angesetzte "Möglichkeitsstudie" überstehen. Wenn das gelingt, hätte das für Okwui Enwezor vor allem auch eine starke symbolische Bedeutung, nämlich: dass man sich das Gebäude öffentlich "zurückerobert" und es als "Akt der Gerechtigkeit" der Zukunft übergibt. Eine Zukunft, die "inhaltlich" ja längst begonnen hat. Denn was könnte einem ehemaligen Haus der Deutschen Kunst entgegengesetzter sein als ein Museum der internationalen Gegenwartskunst, das nach einem Schweizer und einem Belgier nun von einem aus Nigeria stammenden Direktor geführt wird? Vielleicht braucht es nun den britischen Architekten David Chipperfield für den entscheidenden, nächsten Schritt.

© SZ vom 19.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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