Architektur:Häuser mit ausgebreiteten Flügeln

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Der Pavillon ist die Architektur zur Jahreszeit: Eine Ausstellung des Zürcher Centre Le Corbusier feiert die kleine Bauform.

Von Charlotte Theile

Es gibt Momente, in denen man absolut sicher sein kann: Jetzt ist Sommer. Etwa wenn man mit nackten Füßen im Gras steht, rostige Stangen ineinander schiebt und hofft, dass der Pavillon noch diese Garten-Party übersteht. Alles andere, Lampions aufhängen, Grill anfeuern, Leute einladen, kann man das ganze Jahr über - der Pavillon aber markiert die Wochen in denen alles ein bisschen leichter scheint.

Im Centre Le Corbusier am Zürichsee ist die Stimmung auch bei 15 Grad ähnlich. Wer unter dem Pavillon-Dach des 1967 eröffneten Hauses steht und in Richtung See schaut, möchte sofort eine Flasche Wein aufmachen, es scheint nichts dagegen zu sprechen. Weiter unten, zwischen bunten Farben und grauem Beton wird bis zum 23. Juli eine Ausstellung gezeigt, die sich den "leichten, heiteren, sommerlichen Geschöpfen" verschrieben hat. "For now or forever" nennt sich die Schau, denn natürlich gibt es auch seriöse Schweizer Pavillons aus Beton und Glas, die im Winter fast noch besser funktionieren und ganz sicher nie mehr abgebaut werden müssen, die Stadt Zürich hat eine ganze Reihe davon.

Am Paradeplatz zum Beispiel, wo seit 1928 eine Tramwartehalle mit breitem Dach einigermaßen Schutz vor Regen bietet, dazu verkauft ein Kiosk Zeitungen, Schokolade, Espresso. Der Wind pfeift ein bisschen, aber das macht nichts, man hat hier alles was man braucht.

Wer im Sommer 2016 in der Stadt war, erinnert sich zudem an den hölzernen Pavillon, der während des Kunstfestivals Manifesta auf dem Zürichsee schwamm, ein luftiges Konstrukt mit Filmleinwand, Bar und Badesteg, das vielleicht beste Feature der Ausstellung für zeitgenössische Kunst. Auch hier kam irgendwie alles zusammen: drinnen und draußen, Kino und See, Badehose und Hochkultur. In einem kleinen überdachten Gang waren Ladestationen für Mobiltelefone versteckt, man musste eigentlich überhaupt nicht mehr nach Hause gehen.

Jetzt erinnert nur noch ein kleines filigranes Modell an den schwimmenden Pavillon, "bitte nicht berühren" steht auf dem Schildchen daneben. Noch fragiler scheinen die Le-Corbusier-Stühle, die einladend im Obergeschoss stehen und nach freundlicher Sitzgruppe aussehen, es aber nicht sind, auch hier gilt: Bitte nicht berühren, sonst könnte sich etwas abnutzen.

Peter Zumthor entwarf für die Expo 2000 einen Bretterstapel, der an eine Batterie erinnerte

Die meisten Pavillons dagegen sind handfeste kleine Häuschen, in denen man zu Abend essen, Gartenarbeitszubehör unterbringen und sogar Tretboote ausleihen kann. Sie stehen für einen Trend, der nicht nur Stadtplaner erfasst hat. Wie vielfältig das Publikum ist, wird in einer Broschüre ganz wissenschaftlich beschrieben: Die "neuste Mode der She-Sheds", also der von Frauen gestalteten kreativen Rückzugsorte im Garten belege, wie sehr sich viele nach ungestörtem romantischen Landleben sehnen. Die Bauvorschriften für Pavillons - der Begriff leitet sich von dem lateinischen Wort für Schmetterling ab - sind auf dem Land so, dass man einfach mal machen kann. So stellt man es sich zumindest vor. Bei Biennalen und anderen Ausstellungen wurde der Schmetterlingsbau zum Resonanzkörper - der Schweizer Stararchitekt Peter Zumthor entwarf für die Expo 2000 einen Bretterstapel, der an eine Batterie erinnerte und Musikern einen bis dahin unbekannten akustischen Rahmen bot.

Zwei Jahre später wurde ein schwebender "Erlebnispavillon" auf dem Neuenburgersee zur Attraktion. Die Besucher wagten sich in Regencapes auf den See, wo sie in einem Nebel aus Seewasser untergingen. Ein Video zeigt, wie sich die Menschen Schritt für Schritt vortasten, nicht sicher, ob sie sich gerade über oder unter Wasser befinden. Hie und da auch Pavillons, die sich nicht in der Schweiz befinden - besonders eindrücklich ist der überdimensionierte Pavillon der Vereinigten Arabischen Emirate für die Expo 2020 in Dubai. Menschen erscheinen hier nur als Punkte unter einem gigantischen, offenen Dach. Doch auch der Überpavillon bietet eines der entscheidenden Features: Aussicht. Das Dach, das an einem Falken erinnern soll, sieht von jedem Standpunkt anders aus - und eigentlich immer so, als sei es in Bewegung.

Nur konsequent also, dass im Tierpark Goldau ein Pavillon entstanden ist, der einem Hochsitz für Jäger gleicht. Ein 30 Meter hoher Aussichtsturm, der so massiv ist, dass er auch mit gutem Willen nicht an einen Schmetterling erinnert - seine fließende Form ließ ihn international bekannt werden, nun ist er Pavillon ehrenhalber.

Oben auf dem Dach des Zentrums mit dem Kürzel LC-ZH ist die Sache eindeutig: Leichtigkeit, Sommer, kein Geländer. Ein paar Schilder warnen Eltern, auf ihre Kinder aufzupassen, sie könnten sonst schmetterlingsgleich vom Dach fliegen. Bisher ist nie etwas passiert.

For now or forever. Swiss Pavillons. Bis 23. Juli im Pavillon Le Corbusier, Zürich.

© SZ vom 19.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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