Arabische Superhelden:Mit der Kraft der sieben Feuer

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Wo sind die Comichelden Arabiens? Es gibt sie nicht, stellte ein jordanischer Student fest - und erfand welche, ganz ohne Bart und Heldenkostüm.

Karin ElMinawi

Auf die Idee mit den arabischen Superhelden kam Suleiman Bakhit ausgerechnet in der Heimat von Spiderman, Superman und Hulk. 18 Jahre war er alt, Sohn eines Politikers und späteren Premierministers von Jordanien, als er von Amman nach Minnesota zog, um dort Betriebswirtschaft zu studieren. Auf dem Campus war Suleiman Bakhit als einer bekannt, der sich für die Rechte von Ausländern einsetzte - nicht alle schätzten ihn dafür.

Keine hautengen Kostüme: Suleiman Bakhit beim Zeichnen seiner Comichelden. (Foto: Foto: SZ)

Nach den Terroranschlägen aufs World Trade Center wurde er von vier betrunkenen Studenten zusammengeschlagen, er musste mit fast hundert Stichen wieder zusammengeflickt werden. Beirren ließ er sich dadurch nicht. Von da an tingelte Bakhit durch die Grundschulen, seine Botschaft: Nicht alle Araber sind wie Osama bin Laden, unsere Völker sind einander ähnlicher, als ihr glaubt. Eines Tages fragte eine Schülerin, ob es in seiner Heimat denn auch Superhelden gebe. Ihm fiel kein Einziger ein.

"Mir wurde bewusst, dass wir zwar mit amerikanischen und japanischen Superhelden aufwachsen, aber eigentlich dringend arabische Helden brauchen." Amman an einem kühlen Januartag, in Suleiman Bakhits Büro herrscht das Chaos: Überall liegen Bücher, Skizzen und Entwürfe herum, Bilder und Layouts bedecken die Wände. Er hat sein Masterprogramm schließlich abgebrochen und ist nach Jordanien zurückgekehrt, wo er 2006 seine Firma Aranim Media Factory gründete. "Es war entweder jetzt oder nie", sagt er. Seitdem bastelt er an seinen Superhelden - arabische Superhelden, die Comics, Trickfilme und Computerspiele bevölkern sollen. Fünf feste Mitarbeiter hat er in Jordanien und zehn Online-Mitarbeiter, die in Brasilien, Japan, China und auch in Deutschland leben. "Anfang März werden zuerst mal die Comics auf dem jordanischen Markt erscheinen", erzählt er stolz.

Den Grundschülern in Minnesota hat Suleiman Bakhit damals gesagt, dass auch nicht alle Araber lange Bärte und Wallegewänder tragen, und er selbst ist das beste Beispiel dafür: rasierte Glatze, Dreitagebart, T-Shirt. Am Nacken trägt der heute 30-Jährige eine großflächige Tätowierung. Das alt-arabische Design soll die Narben verdecken, die nach dem Angriff auf ihn geblieben sind.

Die Comics richten sich vor allem an Kinder und Jugendliche. "Es werden keine dunklen und geheimnisvollen Charaktere sein, auch keine Einzelgänger", sagt Bakhit. "Und hautenge Kostüme werden sie auf gar keinen Fall tragen." Da ist zum Beispiel "Naar", was auf Deutsch "Feuer" bedeutet: abgerissene Hose, Flip-Flops, wild gestylte Haare.

In Bakhits Erzählwelt ist dieser Wildfang für die Rettung der arabischen Welt im Jahr 2050 verantwortlich. Er hat die Kräfte der sieben Feuer und muss sich mit seinen Freunden durchschlagen. Ohne Erwachsene. Und ohne Öl. Oder "Saaluk" ("Dieb"): der arabische Robin Hood, der übermenschliche Schnelligkeit besitzt und dafür sorgt, dass die Armen nicht nur Geld bekommen, sondern auch Mut und Hoffnung schöpfen. Das sind nur zwei von mehr als 50 Helden, die Bakhit inzwischen entwickelt hat. Einer nach dem anderen sollen sie nun auf den Markt kommen.

Das Schreiben und Zeichnen hat er sich selber beigebracht. Um seinen Helden historische Hintergründe zu geben, recherchierte er sechs Monate lang in arabischen Geschichts- und Archäologiebüchern. Zwei Jahre lang lernte er die hebräische Sprache, um die Schriftrollen des Toten Meeres zu verstehen. Aber die meisten Ideen holt sich Suleiman Bakhit von den Kindern in den Straßen Ammans. Und die wünschen sich neben den Superhelden eben hauptsächlich Geschichten über andere Kinder, die willensstark und furchtlos sind. "In den arabischen Gesellschaften werden Kinder nicht wahrgenommen. Bis sie mit einem Studium anfangen, haben sie meistens keine Stimme", sagt Bakhit. "Ich gebe ihnen eine. Das alleine ist für sie eine Superkraft, das inspiriert sie."

Kein Mord, kein Krieg

Politik und Religion will er aus seinen Comics heraushalten. Die Geschichten werden panarabische Plots haben, kulturelle und soziale Themen behandeln. Raub, Mord und Krieg werden ausgeschlossen, weil sie, so Bakhit, in der arabischen Welt nicht zum normalen Alltag gehören. Themen wie Familie, Freundschaft und Armut dagegen schon.

Auf schnellen Profit ist Suleiman Bakhit nicht aus: Die Comics werden in Jordanien zunächst einmal verschenkt. "Die Kinder könnten sie sich ja nicht leisten", sagt er. Für die Kostendeckung soll das Merchandising sorgen - die Werbung, das Spielzeug, die Computerspiele mit seinen Geschöpfen. Etwa 200 Millionen Jugendliche leben in den arabischen Ländern, Bakhits Zielgruppe ist also gewaltig. Zwar gibt es bereits Superhelden aus arabischen Produktionen, doch die sind seiner Meinung nach amerikanisiert, tragen nur arabische Namen und vielleicht mal einen Bart. Seine Figuren dagegen sehen eindeutig arabisch aus, und sie haben neben ihren Superkräften auch ganz menschliche Eigenschaften. "Sie machen Fehler, sie sind keine Perfektionisten wie die amerikanischen Helden. Alles andere würde auch gar nicht zum Nahen Osten passen", findet Bakhit.

© SZ vom 27.01.2009/holz - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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