Antisemitismus in Halle:Zeichen gegen Hetze

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Nachdem ZDF-Recherchen antisemitische Ausfälle dokumentiert hatten, setzt der Stadtrat Halle den AfD-Politiker Donatus Schmidt als Aufsichtsrat des Theaters ab. Gerade noch rechtzeitig vor der ersten Sitzung.

Von Peter Laudenbach

Bei einer kurzfristig angesetzten Sondersitzung des Stadtrats Halle wurde am Donnerstag der AfD-Kommunalpolitiker Donatus Schmidt als Aufsichtsrat der Bühnen Halle abberufen. Ein vor wenigen Tagen durch Recherchen des ZDF-Magazins Frontal 21 bekannt gewordenes Video dokumentiert antisemitische Ausfälle und Verschwörungstheorien Schmidts. So behauptet er etwa, vor dem Terroranschlag am 11. September 2001 in New York seien Juden, die im World Trade Center arbeiteten, gewarnt worden. Auch seien in Wirklichkeit unsichtbare, finanzstarke Kräfte verantwortlich für die beiden Weltkriege - ein klassisches Topos antisemitischer Propaganda. Für Halles Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) setzt die Stadt mit dem Ratsbeschluss "ein klares Zeichen gegen Antisemitismus und antidemokratische Hetze". Mit der Abberufung Schmidts blieb dem Theater knapp eine missliche Situation erspart: Die erste Aufsichtsratssitzung unter Teilnahme Schmidts war für den gestrigen Freitag angesetzt.

Die Entscheidung des Stadtrats erfolgte spät. Schmidts Nähe zu Reichsbürgern und Rechtsextremen war schon länger bekannt. Bei rechten "Montagsdemonstrationen" in Halle trat er als Redner wiederholt mit Sven Liebich auf, einem früheren Aktivisten des verbotenen Neonazi-Netzwerks "Blood & Honour". Am 3. Oktober hat Schmidt mit Reichsbürgern, Hooligans und anderen Rechtsradikalen an einer Demonstration ("Wir für Deutschland") in Berlin teilgenommen. Auf der Demo wurden antisemitische Parolen gerufen, militante Kameradschaften bedrohten Gegendemonstranten: "Wenn wir wollen, schlagen wir Euch tot".

Nach der Berliner Demonstration und dem Terroranschlag in Halle erklärten am 16. Oktober die Intendanten der Oper, des Puppentheaters und des Schauspiels in einem offenen Brief, solange Schmidt dem Aufsichtsrat der Bühne Halle angehöre, nicht an Sitzungen des Gremiums teilzunehmen. Wenn die Stadtgesellschaft Schmidts rechtsradikale Aktivitäten toleriere, verhöhne sie die Opfer des Anschlags, "dann sind alle Solidaritätsbekundungen mit der Jüdischen Gemeinde nichts als hohle Worte". Schmidt stellte Strafanzeige und verhöhnte seine Kontrahenten in einer Rundmail, die der SZ vorliegt: "Bevor Sie Ihre Ankündigung, dieses Gremium (...) zu boykottieren, umsetzen, empfehle ich Ihnen das Studium Ihres Dienstvertrages und der Weisungsstruktur. Sollten Sie allerdings um eine Auflösung desselben ersuchen wollen, stünde ich dem positiv gegenüber."

Die Theaterleiter fühlten sich zunächst allein gelassen. "Wir hatten keine Rückendeckung, etwa aus dem Aufsichtsrat. Wir waren auch irritiert, dass der Geschäftsführer unseren Brief nicht unterzeichnen wollte. Das Ensemble stand hinter uns", sagt Schauspielchef Matthias Brenner. Die Zusammenarbeit mit dem Aufsichtsrat zu verweigern, wäre eine Dienstpflichtverletzung der Intendanten. Brenner und seine Kollegen waren bereit, die arbeitsrechtlichen Folgen zu tragen. "Die Entscheidung des Stadtrats gibt uns nachträglich recht", sagt Florian Lutz, Intendant der Oper. "Es gibt Grenzen, die man verteidigen muss. Es ist nicht notwendig, einen Rechtsradikalen in den Aufsichtsrat eines Theaters zu berufen oder als Geschäftsführer mit solchen Leuten zusammenzuarbeiten."

© SZ vom 16.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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