Antiquitätenmesse:Heiterer Stein

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Die Biennale dell'Antiquariato in Florenz schwelgt in Italiens Kulturgeschichte. An die Moderne hat man sich inzwischen angenähert. Nur der Rest der Welt kommt ein wenig zu kurz.

Von Dorothea Baumer

Florenz, die kühle Renaissance-Stadt, lebt von ihrer Geschichte. Dort ansässige Kunsthändler fühlen sich als die legitimen Erben dieser jahrhundertealten Tradition. Einen Höhepunkt für den Handel markiert dabei noch immer Italiens bedeutendste Antiquitätenmesse, die Biennale dell'Antiquariato, die alle zwei Jahre Aussteller aus dem ganzen Land anzieht.

Ein nobleres Ambiente als den am Arno gelegenen Palazzo Corsini, ein barocker Palast mit Terrassenblick auf Florentiner Kuppeln und Ponte Vecchio, lässt sich kaum denken. Angeboten werden fast ausschließlich italienische Kunst und italienisches Kunstgewerbe. Das erlaubt ein selten konzentriertes Eintauchen in die kunstgeschichtlichen Epochen des Landes und ist so wohl überhaupt nur in Italien denkbar. Allerdings stößt dieses Konzept angesichts heutiger Erwartungen an Internationalität an seine Grenzen.

Das schönste Schaufenster des italienischen Altkunsthandels bleibt die Messe gleichwohl. Malerei und Skulptur bietet sie in Fülle. Die ebenso schlanke wie elegante, mit viel Fingerspitzengefühl in den Palast integrierte Ausstellungsarchitektur lässt sie bestens zur Wirkung kommen.

Das können feine Landschaftsskizzen sein, wie sie Antonacci aus Rom bietet oder, anspruchsvoller, exquisite weibliche Miniaturporträts des 16. Jahrhunderts von erstaunlicher Lebendigkeit, wie das Scipione Pulzone zugeschriebene, das beim römischen Kollegen Di Castro hängt oder das von Cristofano Allori auf Kupfer gemalte, das sich bei Colnaghi (London/ Madrid) eine Stiftung reservieren ließ. In weit höhere Preisgefilde stoßen dort zwei lombardische Küchenstillleben des 18. Jahrhunderts von Giacomo Ceruti vor, die als Paar für 1,2 Millionen zu haben sind.

Fabrizio Moretti, der in London, Monte Carlo und Florenz arbeitet und zudem als Patron der Messe fungiert, begnügt sich für seine Präsentation früher Goldgrundtafeln mit einer Nische, die er unter anderem einem kleinen, edlen Gemälde des 1345 - 1350 in Florenz aktiven Andrea Bonaiuti reserviert, das den Heiligen Andreas und einen Heiligen Vater darstellt.

Für 150 000 Euro gibt es hier die "Bullenbeißer" genannten Hunde aus dem Boboli-Garten

Auch am Stand der Galerie Robilant+Voena (London/Mailand) ist eine Goldgrundtafel zu entdecken, die allerdings ins 15. Jahrhundert datiert und dem Sforza-Hofmaler Bonifacio Bembo zugeschrieben wird. Als das ungewöhnlichere Werk an diesem Stand entpuppt sich ein virtuos angelegtes Dreiviertelporträt eines Edelmanns, zumindest wenn man den Künstlernamen entziffert, denn es stammt von Sofonisba Anguissola, einer nicht nur zu Lebzeiten hoch geschätzten Renaissance-Malerin (220 000 Euro). Eine der begehrten Venedig-Veduten, ein Blick auf Canal Grande und die Kirche Santa Maria della Salute von Francesco Guardi ist das millionenschwere Topstück bei Lampronti (Rom/London); ein neues Motiv bietet dagegen der Mailänder Walter Padovani: eine anmutig geschilderte Szene rund um die Aretusa-Quelle in Syrakus.

Ein imponierend schönes Exponat enthüllte das junge Händlerteam Mehringer-Benappi aus München und Turin mit einer prachtvollen, um 1500 entstandenen Lindenholzfigur eines Heiligen Johannes Evangelist des Giovan Angelo Del Maino. Die aus einer Beweinungsgruppe stammende Skulptur gilt als ein Hauptwerk der lombardischen Renaissance, wird hier zum ersten Mal gezeigt und wurde von der Messejury als bedeutendstes Werk der Sparte ausgezeichnet (800 000 Euro).

Das Pendant der Sparte Malerei ist gleich nebenan bei Di Castro ausgestellt und dürfte vor allem als kulturhistorisches Dokument überzeugt haben: ein im Breitformat entfalteter Festzug mit dem Karnevalswagen des Fürsten Borghese aus der Hand des im 17. Jahrhundert auf Dekorationsmalerei und Ornamentvorlagen spezialisierten, aus Innsbruck gebürtigen Bernini-Schülers Johann Paul Schor. Skulptur ist wie derzeit überall ein großes Thema. Die Biennale hat dazu einiges zu bieten. Etwa die "Bullenbeißer" genannten großen Hunde aus toskanischem Stein, der pietra serena, die der Medici-Herzog Cosimo II. bei Romolo Ferrucci, genannt del Tadda, 1620 zur Aufstellung im Boboli-Garten bestellt hatte (150 000). Tomasso Brothers haben aus London den populären florentinischen Eber "Il Porcellino" in einer Bronzeversion von Giovanni Francesco Susini aus dem frühen 17. Jahrhundert mitgebracht.

Im exzellent bestückten Kabinett von Allesandro Cesati ist nicht nur ein schreitender Bronze-Stier nach einem Modell von Giambologna von 1700 zu bestaunen, sondern auch eine jener frühen, wunderbar verzierten Sieneser Brautschatullen, ein sogenannter Cofanetto aus der Zeit um 1340/50. Den größten Publikumserfolg für delikate Schnitzwerke darf die Galerie Porcini aus Neapel verbuchen, mit einer von Besuchern stets freudig umlagerten, grandiosen Szenerie einer neapolitanische Krippe mit 120 Figuren aus dem 18. und 19. Jahrhundert.

An Entdeckenswertem fehlt es auch in der Moderne nicht. Dazu zählt eine bislang unveröffentlichte Bronze des 17-jährigen Rembrandt Bugatti, "Drei Kühe" von 1901, die von der Mailänder Galerie Gomiero für 300 000 Euro angeboten wird. Die Klassische Moderne, von de Chirico und Morandi bis zum vielfach vertretenen Marino Marini, bleibt nicht ausgespart, spielt aber doch eher eine Nebenrolle.

Einen starken Akzent als Solo-Sparte kann schon jetzt die Wiener Galerie Wienerroither & Kohlbacher mit ihrer hochkarätigen Präsentation von Gustav-Klimt- und Ego-Schiele-Arbeiten setzen, angeführt von Schieles Aquarell/Gouache "Stehendes Mädchen" von 1911 (1,4 Millionen). Eine wirkliche Öffnung und Erweiterung des Angebots ins Internationale steht aber noch am Anfang.

© SZ vom 30.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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