Anti-Terror-Gesetze:Ausbürgern?

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Frankreichs Parlament debattiert am heutigen Freitag über den Entzug der Staatsbürgerschaft. Vor allem eine Ex-Ministerin ist empört.

Von Joseph Hanimann

Im französischen Parlament beginnen am heutigen Freitag Verhandlungen über eine Verfassungsänderung: Soll die Möglichkeit hineingeschrieben werden, dass einem Franzosen die Staatsbürgerschaft aberkannt werden kann? Die Frage ist umstritten und politisch brisant. Ebenso wichtig wie Paragrafen und Statistiken sind aber die richtigen Worte.

Zuständig dafür ist vornehmlich jene Frau, die sich gegen die Verfassungsänderung wehrte und schließlich zurücktrat: Ex-Justizministerin Christiane Taubira. "Was wäre das für eine Welt, in der jedes Land die unerwünscht gewordenen eingebürgerten Leute einfach wieder ausbürgert? Soll irgendwo auf der Erde eine Halde für solche Ausschussindividuen errichtet werden?", fragt Taubira in ihrem Buch "Murmures à la jeunesse" (Gemurmel an die Jugend), das am Montag völlig unerwartet auf die Ladentische platzte. Ein Land, das mit seinen Bürgern - und seien es Terroristen - nicht fertig werde, sei ein Problem. Sie brachte einen Streit wieder ins Lot, in dem die Regierung ein eher konfuses Bild abgegeben hatte: Mal ging es um die Aberkennung nur für die Doppelstaatsbürger, dann um alle Franzosen.

Auch gut ein Dutzend Intellektueller wie der Wirtschaftswissenschaftler Thomas Piketty, der Philosoph Luc Ferry, der Schriftsteller Jacques Attali sowie Daniel Cohn-Bendit, äußerte sich kritisch. So eine Maßnahme müsse auf Gesetzesebene, nicht in der Verfassung verankert werden, schrieben sie, und riefen die Parlamentarier auf, die Verfassungsänderung abzulehnen. Seit 1803 sei die Frage der Staatsangehörigkeit in keinem französischen Verfassungstext mehr aufgetaucht.

Im Gegenteil, sagten hingegen andere: Die Bekräftigung, dass man sich durch Terrorakte selber aus der Staatsgemeinschaft ausgrenzen könne, habe in der Verfassung ihren sinnvollen Platz. Premierminister Manuel Valls bemühte zur Legitimierung die Geschichte der Republik. Nach der Abschaffung der Sklaverei sei 1848 den Sklavenhändlern die Staatsangehörigkeit aberkannt worden. Darauf kontern die Gegner mit dem Verweis auf Vichy: Auch damals seien mit Zustimmung der Bevölkerungsmehrheit unterschiedliche Kategorien von Staatsbürgern geschaffen worden. Die Botschaft der Verfassungsänderung sehen sie an alle nachträglich Eingebürgerten gerichtet: Ihr gehört immer nur vorläufig dazu.

© SZ vom 05.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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