Amerikanische Literatur:Wille zum Optimismus

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Spieler, Trinker und Unangepasste, die im Kleinsten das Schöne entdecken: William Saroyan über das Kalifornien der Great Depression.

Von Sofia Glasl

Wenn das Geld aus ist, wird eben nur theoretisch auf die Pferde gewettet. Im Kentucky Pool Room in San Francisco ist das in den Dreißigern nichts Besonderes, denn es herrscht die Große Depression. Geld oder Lebensmittel haben die wenigsten, aber irgendwie muss man die Zeit ja totschlagen. Der Mystiker Willie stilisiert sich als Autorität in Wettangelegenheiten und führt haarklein Buch über seine Gedankenspiele. Hätte er vor einem halben Jahr 50 Cent gehabt, wären die mittlerweile auf eine Summe von 10 000 Dollar angewachsen. Aber eben nur im Konjunktiv und eigentlich hat er ein Herz für Außenseiterpferde.

Das San Francisco der Weltwirtschaftskrise ist ein kunterbuntes Biotop für Spieler, Trinker und Tagelöhner und sie alle bevölkern die Erzählungen Saroyans. Da ist Nathan Katz, der schnellste Telegrafist der Welt; der Buchhalter Joe, der seinen Job kündigt und mit einer geliehenen Harley Davidson einen kurzen Moment der Freiheit erfährt; oder der philippinische Wrestler Ramon Internationale, der im Ring stoisch gegen einen abgekarteten Kampf protestiert und ein ganzes Viertel gegen Veranstalter und Polizei aufwiegelt. Trotz der Krise pulsiert das Leben in den Kneipen und Wettbüros und der Glaube an den American Dream hängt noch mit dem Dunst von Zigaretten und abgestandenem Bier in der Luft.

Aus der Handlungsarmut erschafft Saroyan bezaubernde Porträts

Saroyans Geschichten machten ihn zum Sprachrohr einer Generation von Außenseitern und Unangepassten. Obwohl die ökonomische Unsicherheit aufs Gemüt schlägt, verfällt er nicht in das Lamento seiner Zeitgenossen, sondern erzählt mit melancholischem Witz aus dem Leben der kleinen Leute und wie sie auch der elendsten Situation noch Momente des Zaubers abgewinnen können. Dabei entstehen zeitlose Porträts, denn auch wenn die hier versammelten Storys zwischen 1934 und 1950 geschrieben wurden, lesen sie sich, als könnte man diesen Willies und Ramons heute noch über den Weg laufen. Ihr unerschütterlicher Wille zum Optimismus ist eine Wohltat.

Saroyan war Sohn armenischer Emigranten und wurde in diesem Milieu groß. So verschwimmt sein Ich-Erzähler zu einer Mischung aus autobiografischem Chronisten und überpräsenter Künstlerpersona. Immer thematisiert er auch das eigene Schreiben und denkt in selbstreflexiven Einschüben darüber nach, dass es eigentlich nichts zu erzählen gäbe. Diese übertriebene Untertreibung kann man ihm zur prätentiösen Pose auslegen, denn schließlich offenbart er in seiner Autobiografie, dass er sich durchaus für bedeutend hält. Doch besteht seine Kunst gerade darin, mithilfe von präziser Beobachtung aus Handlungsarmut bezaubernde Porträts seiner Mitmenschen zu machen. Dabei erhebt sich Saroyans Alter Ego niemals über seine Protagonisten, sondern steht ihnen als Gesprächspartner, Boxmanager oder Chauffeur zur Seite. Beizeiten greift es auch in die Handlung ein, um eine Geschichte zu erzwingen. So gibt er Willie, diesem Scheinriesen der Pferdewette, seinen letzten Dollar und schickt Stoßgebete gen Himmel, um nicht bis Monatsende von Trockenbrot und dünnem Kaffee leben zu müssen. Den Hauch von Abenteuer und den Glauben an den American Dream kann ihm niemand mehr nehmen.

© SZ vom 28.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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